Full text: König Friedrich Wilhelm II. - König Friedrich Wilhelm IV. (Bd. 2)

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Bildung einer Reservearmee." Darin war als oberster Grundsatz aufgestellt: 
alle Bewohner des Staates sind geborene Verteidiger desselben. Neben den 
Soldaten des stehenden Heeres sollten alle übrigen streitbaren Männer zwischen 
achtzehn und dreißig Jahren sich ans ihre Kosten bewaffnen, kleiden und üben, 
um die Reservearmee zu bilden. Dieselbe war zur inneren Ruhe des Staates 
und zur Verteidigung des Landes gegen einen angreifenden Feind bestimmt; 
sie sollte nur dann ihre Provinz verlassen, wenn die Deckung der Monarchie 
es erfordere. Ihre Offiziere hatten gleichen Rang und gleiche Vorrechte, wie 
die des stehenden Heeres; doch wurden sie bis zum Kapitän aufwärts vom 
Reg im ente selber gewählt. In Friedenszeit galt die höhere Bildung als erste 
Bedingung der Offizierswahl; das Avaneement im Kriege richtete sich nach der 
Bravour und Entschlossenheit des Einzelnen. 
In dem König mochten vorerst die gleichen Bedenken, wie gegen den 
frühereu Entwurf, vorwalten; doch ward der Vorschlag innerhalb der Kom¬ 
mission einer genauen Prüfung unterzogen und von ihr in den wesentlichen 
Grundzügen adoptiert. Auch sie unterschied zwischen „stehenden" und „Pro- 
vinzialtrnppen" und wollte diesen ungefähr die Organisation geben, die Scharn¬ 
horst für die „Reservearmee" vorgeschlagen hatte. Es scheint, sagte sie, bei der 
jetzigen Lage der Tinge daraus anzukommen, daß die Nation mit der Regierung 
aufs innigste vereinigt werde, daß die Regierung gleichsam mit der Nation ein 
Bündnis schließt, welches Zutrauen und Liebe zur Verfassung erzeugt und ihr 
eine unabhängige Lage wert macht. Dieser Geist kann nicht ohne einige Frei¬ 
heit in der Herbeischaffung und Zubereitung der Mittel zur Erhaltung der 
Selbständigkeit stattfinden. Wer diese Gefühle nicht genießt, kann auf sie keinen 
Wert legen und sich nicht für sie aufopfern. Eben darum wollte die Kom¬ 
mission stehendes Heer und diese Landwehr getrennt erhalten, nicht etwa diese 
eins jenem hervorgegangen sehen. Gneisenau ging noch einen Schritt weiter 
und schlug, wie es scheint unter Billigung der Kommission, vor, auch alle 
Schulen int Lande militärisch zn organisieren. Es sollte in ihnen mehr Mathe¬ 
matik als bisher gelehrt, zugleich eine völlig militärische Disciplin eingeführt, 
die Schüler :n Kontpanieen vereinigt und in den Erholungsstunden durch Exer¬ 
ziermeister in den Waffen geübt, auch Leibesübungen, wie Fechten, Schwimmen 
u. s. w., in den Kreis des Unterrichts hereingezogen werden. 
Diese Anträge griffen bedeutungsvoll genug in die ganze Organisation des 
Staates ein, um auch die Aufmerksamkeit der Staatsmänner zu beschäftigen. 
Die Entwürfe wurden Stein, der ohnedies in einem nahen Verhältnis zu dem 
militärischen Ausschuß stand, und Schön mitgeteilt. Die angeregten Grund¬ 
gedanken — Nationalbewaffnung, Landwehr, militärische Erziehung des Volkes 
- wurden, wie sich erwarten läßt, von beiden Männern so lebhaft und zu¬ 
stimmen!) ergriffen, wie im Kreise der Militärs, von denen sie ausgegangen 
waren; nur über die Art der Ausführung hatten sie abweichende Ansichten. 
Es schien nicht unbedenklich, die Ärmeren, die sich nicht selber ausrüsten konnten,
	        
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