Full text: Ausgewählte Lesestücke aus deutschen prosaischen Musterschriften für höhere Bürgerschulen und die unteren Klassen der Gymnasien (Theil 2)

272 Siebenter Abschnitt, 
Nacht mitten im Schlaf überfallen, dennoch so viele 
Stunden mit erstaunlicher Tapferkeit in Dunkelheit 
und Nebel gestritten, die mehresten ihrer Heerfüh¬ 
rer verlohren hatte, und doch jetzt im Begriff stand 
den Blutkampf zu erneuern. Dieses war auch die 
Absicht Friedrichs, als der Herzog von Aremberg, 
der mit feinem starken Corps unter Begünstigung 
des Nebels dem Könige in die Flanke gekommen 
war, den linken Flügel der Preußen angriff. Hier 
wurden einige .tausend Mann über den Haufen ge¬ 
worfen, und eine große Preußische Batterie erobert. 
Dies war aber auch die Gränze des Siegs. Der 
König, der jetzt feindliche Truppen vorne und im 
Rücken hatte, zog seine tapfern Schaaren mitten 
unter diesem Mordgetümmel zusammen, und machte, 
nach einem fünfstündigen verzweifelten Gefechte, ei¬ 
nen Rückzug, dem nichts als ein zweitaufenjahri- 
ges Alter fehlt, um von allen Zungen gepriesen zu 
werden. Er wurde durch ein starkes Artilleriefeuee 
und durch Linien von Kavallerie gedeckt, die in der 
Ebene von Weigern mit großen Zwifchenrämen auf¬ 
marschierten, hinter denen sich die Infanterie for¬ 
mine. Die Oesterreichifche Armee^war in zu großer 
Unordnung, um einen solchen Rückzug zu stören; 
überdem auch hatte Daun schon bei Kollin zu erken¬ 
nen gegeben, sein Grundsatz ftlj, daß man einem 
fliehenden Feinde eine goldne Brucke bauen müsse. — 
Der Marsch Friedrichs ging nicht weit. Nur eine 
halbe Meile vom Wahlplatz, auf den sogenannten 
Spitzbergen, lagerte er sich mit feinen Truppen, die 
den größten Theil ihrer Artillerie und Bagage ver¬ 
lohren, den kurzen Rock in der rauhen Jahreszeit 
zur Decke, und den Himmel zum Zelte hatten. Es 
fehlte ihnen sogar an Pulver und Kugeln, diesem 
größten Bedürfniß der Europäischen Heere. Ein 
neues Treffen in dieser Lage hatte die alten Schlach¬ 
ten erneuert, wo Mann gegen Mann focht, und 
jeder sich auf feine Faust verließ. Die Stellung des 
Königs war indessen so vortheilhaft, die Mittel, 
allen Gefahren Trotz zu bieten, bei ihm so mannich- 
faltig, und seine Truppen selbst in ihrem gefchlage» 
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