76 Dritter Abschnitt.
das war alles, was sie mit verschlungenen Armen
ächzte, das war es, was sie einem eben vorüber
eilenden Manne in gebrochenen Worten stammelte.
Junges Weib, sagte der Wandrer, ich kann
nicht weilen, mein Vater liegt in jenem Dorfe to¬
deskrank, auch habe ich nur einen Rath: seht wo
ihr einen Hund bekommt, der ihr das Gift aus der
Wunde saugt, aber geschwind, geschwind.' sonst
weiß ich nichts.
Mit diesen Worten ging der Mann vorüber,
und Clementine taumelte, wie vom jähen Schwindel
überfallen, und die Verzweiflung zuckte in ihrem
blassen Gesichte. Doch nach einem Augenblicke ward
ihr Antlitz heiter; sie erhob sich schnell und freudig,
wie wenn man Rettung sieht. Ein Hund das Nat¬
tergift aus ihrerWllllde saugend sagte sie: das wird
ein Hund nrcht thun, aber eine Mutter kann es, erne
Mutter thut es; und hastig zog sie ihre Tochter an
sich , als ob sie von einem Abgrunde sie wegriß, und
drückte die sanften Lippen auf die Wunde, und sog,
und sog so innig und so lange, als könnte sie hun¬
dertjähriges Leben aus dieser Wunde saugen.
Indem sah Antonio den Vater sich nähern, und
stürzt ihm entgegen, und erzählt ihm, was gesche¬
hen war, und was die Mutter thue. Vor Entsetzen
erbleichte der junge Mann und wankte, und hielt
sich an dem nächsten Baume. Was machst du, Va¬
ter? rief der Knabe, uttb sprang auf ihn zu, als
wollte er ihm helfen; aber noch ehe er ihn umfaßte,
bebte er wieder zurück vor einer todten Schlange,
die er jetzt erst an des Vaters Stab gebunden er¬
blickte, und stammelte: ach, die Natter war es, ja¬
so eine Natter hat unsre liebe Franziska gebissen!
Nun Gottlob, Gottlob! jauchzte der Vater, das
ist keine Natter, das ist eine unschädliche Schlange,
die niemanden todten kann. Mit nassen Augen er¬
reichte er seine Hütte, umfaßte die Tochter mit der
Mutter, und schloß sie lange an seine Brust und
rief mit trunkner Freude: Böses, treffliches Weib,
wie hast du mich erschreckt! aber Gott sey Dank!
Schlange war nicht giftig; der Herr sey gi-