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befindlichen löslichen Salze auf und fuhrt sie mit sich fort, und hat es auf seinem
Laufe Gelegenheit, sich mit Kohlensaure zu sättigen, wird es durch die Feuer der
Tiefe erhitzt, so verstärkt sich seine auflösende Kraft und es nagt selbst Felsen an
und springt, wo es an die Oberflache kommt, als heilbringende Mineralquelle her¬
vor. Gewöhnlich nehmen die Gewässer die Temperatur des Bodens an, durch wel¬
chen sie fließen, daher unter den Tropen eine Quelle wenig Erquickung gewährt.
In den gemäßigten Zonen erstaunt man, daß gerade die Stelle des Teiches im
Winter ungefroren bleibt, welche man beim Baden wegen ihrer unangenehmen
Kälte zu vermeiden pflegt; es ist der Fleck, wo eine Quelle aus dem Boden hervor¬
sprudelt. In Bezug auf die Vegetation sind unsere Quellen die ersten Ernährer
und Beförderer einer üppigen Vegetation, und wenn schon der erste Schnee die ab¬
gestorbenen Fluren deckt, grünt noch Alles in voller Frische in und neben einer
Quelle. Anders in Schweden, wo die eisigen Quellen jede Vegetation in ihrer Nähe
vernichten.
Endlich muß noch bemerkt werden, daß tiefer im Innern der Erde ein Heerd
eigener Erdwärme ist, unabhängig von der Sonne und den Schwankungen, welche
ihre Einwirkung bedingt. Sie nimmt regelmäßig auf etwa 100 Fuß um 1 Grad zu,
eine Erfahrung, die wir den artesischen Brunnen verdanken, daher die Badezeit bei
Brunnen, deren Temperatur gleichbleibt, von dem Eintritte der Jahreszeit abhängt,
welche die Bewegung im Freien erlaubt, und Teich- und Flußbäder, welche wegen
flachen Wassers leichter von der Sonne erwärmt werden, früher statthaben, als See¬
bäder, wo auf die größere Masse die erwärmende Einwirkung der Sonne erst Ende Juli
und Anfang September bemerkbar wird. Schleiden.
3. Schiffbruch der französischen Fregatte Medusa.
Der Schiffbruch, an sich schon ein furchtbares Ereigniß, vervielfältigt seine
Schrecken, wenn er mit Hunger und Durst gepaart ist, und noch mehr dann, wenn
die Menschen, welche von diesem Unglück getroffen werden, statt mit gefaßtem Muthe,
mit ruhiger Ergebung, mit Vertrauen auf Gott ihre Kräfte auf geordnete Weise zu
verwenden, um ihr Elend sich gegenseitig zu erleichtern und ihre Rettung zu fördern,
durch rohe Begierden und Leidenschaften, ärger denn das wilde Thier, gegen einan¬
der wüthen! Das war das grausenvolle Loos der Unglücklichen auf der Medusa,
einer französischen Fregatte von 44 Kanonen, welche 1816 mit drei anderen Fahr¬
zeugen nach den französischen Besitzungen an der Westküste von Afrika bestimmt war
und außer den Soldaten und Matrosen noch gegen 400 Gelehrte, Künstler, Hand¬
werker, Gärtner, Land - und Bergleute an Bord hatte. Unwissenheit der Offiziere
und Mangel an Disciplin der Matrosen ließ die Fregatte an der Bank von Arguin
stranden. Sobald man sich von der Unmöglichkeit, das Schiff wieder flott zu ma¬
chen, überzeugt hatte, wurde der ganze Vorrath an Zwieback, Wein und Trink¬
wasser auf die Boote verpackt, ein Floß gezimmert und Mannschaft und Passagiere
nebst deren Frauen und Kindern (worunter auch der Gouverneur vom Senegal und
dessen Familie) auf das Floß und die 5 Boote vertheilt. In der Eile hatte man
aber das Floß mit seinen 150 Mann zwar hinreichend mit Wein, aber nicht nnt
einem einzigen Fasse Zwieback versehen; auch fehlten Kompaß, Karten, Anker. Zwar
nahmen die Boote erst das Floß, welches so voll von Menschen war, daß es bald 2 bis
3 Fuß unter Wasser ging, ins Schlepptau, bald aber kappten sie die Taue, fuhren
weiter und überließen die Unglücklichen verrätherisch ihrem Schicksale. Als der
Hunger sich regte, fand man nur 25 Pfund Zwieback; dieser kleine Vorrath wurde
vertheilt, in Wein getunkt und genossen, dann eine Art Mast errichtet und ein klei¬
nes Segel daran gespannt. Mit Anbruch der Nacht erhob sich ein frischer Wind,
die See begann hoch zu gehen, gegen Mitternacht wurde es stürmisch, die Wellen