Full text: Für die dritte Bildungsstufe (Theil 3)

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Ernst. 
O glaub' ihr nicht! sie neckt uns nur; denn 
das ist nimmer wahr. 
Annette. 
Wenn ihr es wörtlich nehmt, so möcht' es sein. 
Allein, es ist ein Wesen, wie wir selber 
sind. — Kein Stein. 
E m m a. 
Ein Neger denn! o schön! noch sah ich le¬ 
bend keinen! 
Ernst (höhnend). 
Ein herrlicher Juwel — ein Neger — 
sollt' ich meinen! 
Annette. 
Ich sehe, ihr errathet's nicht. Gebt euch 
zur Ruh ! 
Ich will es lieber sagen. (Zu Ernst.) Ein 
Knabe ist's wie du. 
Ernst (zu Emma). 
Da hörst du's nun! welch' Lärmen, welch' 
Geschrei 
Um- 
Annette. 
Um einen Knaben, meinst du selber, sei 
Das nicht sehr nöthig. — Doch, was die¬ 
ses Kind 
Dem Oheim wurde — wie es zu ihm kam, 
das sind 
Fast Wunderdinge. —Hatte er's nicht selbst 
erzählt, 
Ich glaubt' es nicht. — Eh' Oheim wegging, 
war er, wie ihr wißt, vermahlt; 
Sein Söhnchen Hurlei — — aber nein 
Ihr wißt das nicht — da war't ihr noch 
zu klein. 
Emma. 
Allein der Vater svrach ja oft davon; 
Des Oheims Gattinn starb, und auch sein 
einz'ger Sohn. 
Ernst. 
Ja und aus purem, purem Herzeleide 
Verließ er uns und Alles; ging in's Weite. 
Annette. 
So war's. Er wollte nach Amerika. 
Dort hofft' er seine tiefen Schmerzen 
Zu heilen — 
Emma. 
Ach, die gehen ja 
Man sagt's, all überall mit einem treuen 
Herzen! 
Annette. 
Gewiß! Doch hört! Einst in der Lüneburger 
Haide 
Hat, in dem schlechten Gasthof, den man 
fand, 
Des Oheims Zimmer eine dünne Bretter¬ 
wand; 
Ihn stört das nicht. Mit seinem Schmerze 
zu vertraut, 
Klagt er, wie er sich angewöhnt, 
Der stillen Nacht ihn, und den Wanden 
laut. 
Da rauscht es an der Bretterwand. Es 
dröhnet 
Die Thür darinn, die er vorher nicht sah — 
Und denkt —! ein alter Jude schreitet 
feierlich 
Daraus hervor und naht dem Oheim sich. 
— „ Herr, stillet euren Schmerz — die 
Hülfe ist euch nah. 
Jehovah hörte euren Jammer; 
Eh' morgen ihr dies Haus verlaßt, 
Thut einen Blick in jene Nebenkammer." — 
Der Oheim rafft sich auf; — weg ist der 
nacht'ge Gast. 
Ernst. 
Verschwunden? >— war's ein Geist? mir 
graut! 
E m m a. 
Mich überlaust's mit einer Gansehaut. 
Annette. 
Der Oheim tappt herum, im nächtlich dun¬ 
keln Raum, 
Er findet keine Thür — halt Alles bald 
für Traum. 
Der Morgen dämmert endlich. Da im Ne¬ 
benzimmer 
Vernimmt der Oheim Worte. — Ein Ge¬ 
wimmer : 
„Wo bist du, böser Mann? Ach komm herein! 
„Nun läßt du gar mich armesKind allein!"— 
Ein Kinderstimmchen sprach's. — DerOheim 
horcht betroffen — 
Es steht umher — entdeckt die Thüre in der 
Wand — und sie steht offen 
Nun merkt er wohl — noch glaubt er's 
kaum, — 
Was ihm des Nachts geschah, es war kein 
Traum.
	        
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