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Aber die Sehnsucht, auch Menschenseelengebieter zu werden,
Diese bleibt ihm, und quälet sein Herz. Die goldenen Zeiten
Jenes Papstthums, welches die Seelen in eiserne Fesseln
Legte, wünschte sich Abdul. Die nicht zu hemmende Freiheit
Aller Druckerpressen ist seinen Augen ein Dornstrauch.
Doch die Unmöglichkeit des Plans der Geisterbejochung
Beugt ihn nicht ganz. Die weite Welt der Sinnen und Körper
Sott dem Durstigen überschwenglich ersetzen den Fehlplan.
Hundert Hekatomben von Menschen, so lang er lebet,
Ihr, der höllischen Kriegswuth, festlich, in Schlachten zu opfern,
Gold und seltene Kostbarkeiten der Kunst und des Werthes,
Alterthümer aus Süden, aus Norden, aus Osten, aus Westen,
Ungeheuer viel, zum Erstaunen, zusammen zu häufen;
Immer weiter und weiter den Machtarm auszustrecken,
Könige ein- und abzusetzen, und Länder zu theilen,
Zum Erseufzen der Geographie: das strebet er zaumlos. —
Abdul donnerte Schlachten umher, eroberte Reiche
Krönten den Sieger; und blutiger ward das Gewinsel des Elends.
Dörfer stammten empor, Belagrungen trümmerten Städte.
Oede Länder und leergeraubte Staaten im Umkreis
Klagten: den Eltern entrissene Söhne, den Kindern die Väter!
Ueberall sinkende Rechte, Tyrannenjoch, und des Raubes
Schwelgende Jubel! Umher ein Schauergemälde des Elends!
Roher Erdebezwinger! o weiß er den Blitz nur zu schleudern;
Lebt er nur dürstend nach Staatenbejochung: Verachtung dem Kleinen!
Wehe der Welt! Hier sieh nun die eisernen Früchte der Selbstsucht!
Ja, wenn ich ordne das All, das ich sah, und das All, das ich hörte,
O wie fühl' ich's so tief: die Religion des Erlösers
Muß vorwirken, die Liebe zurück erst kommen der Menschheit!
Dann nur kommt wie von Gott die Rettung! . . .
72. Napoleon Bonaparte. 1804.
Mag die Welt mit thörichtem Erstaunen
Knechtisch deiner Macht Verehrung weih'n,
Immer wirst du doch das Spiel der Launen
Einer blinden Zufallsgöttinn fein.
Wenn der Sklav' im Staube dich bewun¬
dert,
Trau der feigen Schmeichelrede nicht;
Später hält ein künftiges Jahrhundert
Ueber dich das Strafgericht.
Wie du grausam, was bestand, zertrüm¬
mert,
Stürzet in Ruinen auch dein Reich,
Und die Krone, die dein Haupt umschimmert,
Wird von Thränen der Verzweiflung bleich.
Wer mit Sicheln der Zerstörung mähet,
Färbt den Purpur mit der Unschuld Blut.
Erndten wird er, was er ausgesäet,
Untergehn in blinder Wuth.
Einen Welttheil hast du dir errungen;
Ferne Kronen aus dein Haupt vereint,
Millionen Knechte dir erzwungen:
Doch für deinen Kummer keinen Freund;
Bist du einst des Blutvergießens müde,
Reicht dir Liebe keinen Labetrunk,
Selbst das Losungswort der Tugend : Friede,
Wird durch dich zur Lästerung.
Einsam fitzest du auf deinem Throne,
Wie die eiserne Nothwendigkeit,
Und dein Name tönt durch jede Zone,
Als die blut'ge Geißel deiner Zeit.
Was du wünschest, wirst du nie
vollenden,
Von Begierden einsam ausgezehrt,
Nur ein Werkzeug in der Rache Hän¬
den
Wirst du auch von ihr zerstört! —
Fr. v. Schiller.