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Deutsche, und diese ließen sich nicht gern befehlen. That man nicht nach
ihrem Willen, so plünderten sie ganze Provinzen.
Das erste Beispiel dieser Art gaben die Gothen. Kaum war der
römische Kaiser aus dem Leben geschieden, so standen sie wieder unter den
Waffen, und zwar furchtbarer als jemals, weil sie jetzt einem einzigen
tapferen und verschlagenen Anführer gehorchten. Dies war Alarich,
entsprossen aus einem der edelsten gothischen Geschlechter. Er hatte in
früheren Jahren gegen Theodosius, in späteren Jahren unter ihm gedient,
und fand sich beleidigt, daß man seine Verdienste nicht mit der Würde
eines Oberbefehlshabers belohnt hatte. Unwillig verließ er den römischen
Dienst und verleitete die sämmtlichen gothischen Hülfsvölker, zu seiner
Fahne zu schwören. Dieses gothische Heer ward noch verstärkt durch eine
Anzahl Hunnen, Alanen und Sarmaten, denen die hart gefrorene Donau
zu einer sicheren Brücke diente, auf welcher sie in die südlichen Länder
hinüber drangen und Alles verwüsteten. Alarich führte hierauf seine
Schaareu durch Macedonien und Thessalien nach Griechenland, und gab
auch dieses schöne Land der Plünderung preis. Nirgends zeigte sich eini¬
ger Widerstand, und wohin die Gothen kamen, da zogen sich die römischen
Truppen zurück. Athen, Argos, Korinth, Sparta kapitulirten, das platte
Land wurde verheert, Alt und Jung als Sklaven fortgeführt.
Als Stilicho auf solche Weise die schönste Provinz des morgenlän-
discheu Kaiserthums den Barbaren überlassen sah, hielt er es für Pflicht,
nun selber vor dem Riß zu treten und die Majestät des Reiches zu rächen.
Er rüstete eiligst in dem Hafen von Ravenna eine Flotte aus und segelte
nach Griechenland. An der Küste von Korinth gelandet, eilte er mit sei¬
nem Heere den Gothen entgegen; in Arkadien kam es zur blutigen Schlacht;
der edle Stilicho siegte. Die Gothen flohen, und Stilicho zog ihnen nach.
Er hätte sie gänzlich aufreiben können, verlor aber die beste Zeit in den
griechischen Städten mit Schauspielern, Weibern und Festlichkeiten. So
konnten sich die Gothen sammeln und Stilicho kehrte ohne weitere Unter¬
nehmung nach Italien zurück.
Vielleicht war er auch aus Haß gegen den Rufinus so bald wieder
abgezogen, denn dieser, neidisch auf das Glück Stilicho's, wollte den Hel¬
den gar nicht in Griechenland dulden, und Arkadius erklärte dessen Feld¬
zug für eine unverschämte Zudringlichkeit. Dieser feige Kaiser schloß einen
Vertrag mit Alarich ab und überließ ihm die Oberbefehlshaberstelle im
östlichen JÜhrikum, in denselben Provinzen, die er eben verwüstet hatte.
Alarich benutzte seine Würde klug, denn die geplagten Einwohner seines
Bezirks mußten Tag und Nacht arbeiten, um Helme, Schilder, Spieße
und Schwerter zu machen, die vielleicht nächstens zu ihrem eigenen Ver¬
derben gebraucht werden sollten. Die Gothen, in Bewunderung der Ta¬
lente ihres Heerführers, hoben in einer feierlichen Versammlung den Ala¬
rich auf einem Schilde empor und riefen ihn einstimmig zu ihrem König
aus. So stand jetzt Alarich als König eines tapferen Soldatenvolks und
als Feldmarschall des morgenländischen Kaisers an der Grenze zweier ver-