82
Die Anwendung der Dämpfe auf die Schifffahrt lag nun nicht mehr fern.
Obgleich schon 1543 ein Spanischer Kapitain Blasco de Garah dem Kaiser Karl V.
vorschlug, ein Schiff zu bauen, das sich gegen Wind und Fluthen bewegen könne,
und im Hafen von Barcelona einen Versuch machte, wobei das Schiff, an welchem
man einen großen Kessel mit kochendem Wasser und an jeder Seite zwei Schaufel¬
räder bemerkte, in jeder Richtung bewegt werden konnte, so kam die Sache doch
nicht zur Ausführung und gerieth in Vergessenheit. Spätere Versuche schienen
keine Aussicht auf praktische Ausführbarkeit zu geben, bis Robert Fulton (geboren
1767 in Pennsylvanien von unbemittelten Aeltern und in England sich der Mechanik
widmend) lebhaft von dem Gedanken ergriffen wurde, die Dampfmaschinen zur
Fortbewegung der Schiffe zu benutzen. In Paris, wohin ihn der Amerikanische
Gesandte hatte kommen lassen, machte er den ersten Versuch mit einem Dampfboote
aus der Seine; allein man versprach sich davon keinen großen Erfolg, und Napoleon
wies seine Anträge ab, obgleich bei dessen Landungs-Projekten in England eine
solche Erfindung von unzuberechnenden Folgen gewesen wäre. Auch in England
fand sie keinen Anklang; daher ging er nach Amerika zurück, machte dort 1808 einen
Versuch, der ihm nichts als den Spott seiner Landsleute einbrachte. Als aber
das erste Dampfschiff Clermont von Newyork nach Albany den Hudson hinauffuhr
und, weil mit Holz geheizt wurde, ein Funkenmeer aus dem Schornstein sprühte,
und das Schiff, wie von einem innern Instinkte getrieben, gegen den Strom
schwamm und seinen Pfad mit Feuer beleuchtete, gerieth zuerst Alles in Schrecken;
die Regierung seines Vaterlands konnte sich von der Wichtigkeit dieser Erfindung über¬
zeugen und ertheilte ihm ein Patent, d. h. einen Vorrechtbrief, während einer ge¬
wissen Anzahl von Jahren die Dampfschifffahrt auf den großen Strömen allein be¬
treiben zu dürfen. Aber arm, ging es ihm wie Gutenberg, er verlor den Vortheil
der Erfindung an Andere, weil er, durch Geldverlegenheit gezwungen, sein Privi¬
legium für die mehrsten Amerikanischen Flüsse um geringe Preise verkaufen mußte.
Die letzten Jahre seines Lebens beschäftigte er sich mit dem Bau einer Kriegs-
Dampf-Fregatte von 145 Fuß Länge und 55 Fuß Breite, starb aber wenige Tage
vorder Vollendung unter Nahrungssorgen und im Unmuthe, seiner Familie eine
Schuldenlast von 100000 Dollars hinterlassen zu müssen.
Da die Dampfmaschinen auf diesen Schiffen eine größere Kraft ausüben
müssen, so sind sie auch bedeutender. In der Mitte angebracht, setzen sie durch
zwei Cylinder zu beiden Seiten die Schaufelräder, ähnlich den Mühlenrädern der
unterschlächtigen Wassermühlen, in gleichmäßige Bewegung. Statt der frühern
Wattschen Balanciers wendet man jetzt Cylinder an, welche sich pendelartig um
Zapfen bewegen, wodurch an Raum und Kraft gewonnen wird. Statt der Schau¬
felräder benutzt man auch ein schraubenförmiges Rad am hintern Theile des Schiffs
(die Archimedische Schraube), welche, durch die Maschine umgedreht, das Schiff im
Wasser gleichsam fortschragbt. Dies sind die sogenannten Schraubendampfschiffe.
Bald versuchte man sich mit diesen Schiffen auf dem Meer und wagte sich end¬
lich auch über den Ocean. Der Sirius, ein Dampfschiff von 320 Pferdekrasten,
und der Great Western, ein eisernes Schraubendampfschiff von 500 Pferdekräften
und zugleich zum Segeln eingerichtet, gingen 1838 von Bristol nach Newyork, wo
letzteres in 16 Tagen anlangte; ein noch größeres, Great-Britain, arbeitet mit
1000 Pferdekrasten, so daß Europa mit Amerika jetzt in wohlfeilerer und regel¬
mäßigerer Verbindung steht als früher Deutschland mit England. Von Calcutta
bis Älerandrien fährt man in 25 Tagen. Auf den großen Strömen und Seen
Nordamerikas fahren jetzt kolossale Dampfschiffe mit mehrern Stockwerken und
Sälen, welche, Abends mit Gas erleuchtet, durch die ganze Länge des Schiffs gehen,
wo mehrere hundert Menschen bequem tanzen können.