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Christen zu haben, wandte er sich an Francke in Halle und schloß
ihm vertrauensvoll sein ganzes Herz auf. Francke nahm sich des
geängstigten Jünglings mit Treue an und richtete ihn auf mit
Trost aus Gottes Wort. Unter Hohn und Spott seiner Mitschüler
ging Ziegenbalg von nun an unbeirrt seinen Weg, zufrieden, daß
Gott sein Begleiter und Gottes Wort seine Speise war. Als er die
Schule durchgemacht hatte, bezog er die Universität Halle und lernte
unter Franckes Leitung das Wort Gottes mit großem Fleiß. Oft
hatte er mit Krankheit und körperlichen Leiden zu kämpfen; aber
er trug sein Kreuz mit großer Geduld; denn er wußte, daß die Trüb¬
sale dem Berufe der Christen nichts Fremdes sind. Bald darauf,
nachdem er die Universität verlassen hatte, wurde er Hülfsprediger
auf einem Dorfe bei Berlin.
Um diese Zeit geschah es, das; König Friedrich Missionare für Ostindien
suchte. Auf Franckes Empfehlung erhielt Ziegenbalg den Ruf und erklärte sich
bereit, um Gottes willen seine Stelle aufzugeben und in das Land der fernen
Heiden zu gehen. Sein Freund, Heinrich Plutsch au aus Wesenberg
im Strelitzschen, ließ sich um des Herrn willen zu gleichem Dienste willig
finden. Geleitet von den Gebeten der Christen, begaben beide sich auf die
Reise und gelangten am 9. Juli 1706 glücklich in Trankebar in Ostindien an.
Ihr Empfang war anders, als sie erwartet hatten. Die dortigen däni¬
schen Kaufleute und Beamten, die nur für die Reichthümer Indiens Augen
hatten, blieben kalt und gleichgültig und ließen die Missionare Stunden lang
auf offenem Markte stehen, bevor einer sich fand, der sie in sein Haus auf¬
nahm. Dadurch wurden die beiden Freunde alsbald handgreiflich erinnert,
daß sie sich nicht auf Menschen, sondern auf den Herrn verlassen sollten. Und
das merkten sie sich weislich. Im täglichen Gebet riefen sie Gott inbrünstig
an und legten alles an sein Vaterherz, was sie auf ihrer Seele hatten. Und
sie schrieen nicht umsonst; der Herr hörte seine Knechte und half ihnen allewege
mit Rath und Ichat, daß sie nie keinen Mangel in seiner Nähe verspürter.
Bald stellte sich heraus, daß Ziegenbalg ganz besonders geschickt war, ein Bote
Gottes an die Heiden zu werden. Denn er war mit dem Geiste des Gebets,
mit Weisheit und Besonnenheit, mit glühender Liebe zu den Heiden und mit
so erstaunenswerther Sprachengabe ausgerüstet, daß er nach wenigen Jahren
das Indische so fertig sprach, als wäre es seine Muttersprache. Im Herbst
1706 fing er an zu predigen. Zu gleicher Zeit richtete er eine Schule für Hei¬
denkinder ein und übersetzte für dieselben Luthers Katechismus ins Indische.
Jeden Mittwoch hielt er Gottesdienst in der deutschen Kirche und hatte die
Freude zu sehen, daß Christen, Heiden und Muhammedaner sich hinzudrängten.
Der 12. Mai 1707 war der Tag, an welchem die Erstlinge aus den Heiden
gesammelt wurden; denn an diesem Tage wurden fünf Sklaven, die in ihren
Banden die Freiheit in Christo gefunden, durch die Taufe in die heilige Ge¬
meinde des Volkes Gottes aufgenommen. Bald folgten so viele nach, daß
für die indischen Christen eine eigene Kirche erbaut werden mußte.
Bisher hatten die Missionare ihr Werk unter dem Segen Gottes in Frie-
Ziegenbalg als Missionar.