Object: [Band 7 = dritte Klasse, achtes Schuljahr, [Schülerband]] (Band 7 = dritte Klasse, achtes Schuljahr, [Schülerband])

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IV. 
Erzählungen. 
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M 
152. Marthe und ihre Uhr. Von Theodor Stürm. 
ährend der letzten Jahre meines Schulbesuchs wohnte 
ich in einem kleinen Bürgerhause der Stadt, worin 
aber von Vater, Mutter und vielen Geschwistern 
nur eine alternde, unverheiratete Tochter zurück¬ 
geblieben war. Die Eltern und zwei Brüder waren 
gestorben, die Schwestern bis auf die jüngste, welche 
einen Arzt am selbigen Orte geheiratet hatte, ihren 
Männern in entfernte Gegenden gefolgt. So blieb 
denn Marthe allein in ihrem elterlichen Hause, worin sie sich durch 
das Vermieten des früheren Familienzimmers und mit Hilfe einer 
kleinen Rente spärlich durchs Leben brachte. Doch kümmerte es sie 
wenig, daß sie nur Sonntags ihren Mittagstisch decken konnte; denn 
ihre Ansprüche an das äußere Leben waren fast keine; eine Folge 
der strengen und sparsamen Erziehung, welche der Vater sowohl aus 
Grundsatz, als auch in Rücksicht seiner beschränkten bürgerlichen Ver¬ 
hältnisse allen seinen Kindern gegeben hatte. Wenn aber Marthen 
in ihrer Jugend nur die gewöhnliche Schulbildung zuteil geworden 
war, so hatte das Nachdenken ihrer späteren einsamen Stunden, ver¬ 
einigt mit einem behenden Verstände und dein sittlichen Ernst ihres 
Charakters, sie doch zu der Zeit, in welcher ich sie kennen lernte, 
auf eine für Frauen, namentlich des Bürgerstandes, ungewöhnlich 
hohe Bildungsstufe gehoben. Freilich sprach sie nicht immer gramma¬ 
tisch richtig, obgleich sie viel und mit Aufmerksamkeit las, am liebsten 
geschichtlichen oder poetischen Inhaltes; aber sie wußte sich dafür 
meistens über das Gelesene ein richtiges Urteil zu bilden und, was 
so wenigen gelingt, selbständig das Gute vom Schlechten zu unter¬ 
scheiden. Mörikes „Maler Nolten", welcher damals erschien, machte 
großen Eindruck ans sie, so daß sie ihn immer wieder las; erst das 
Ganze, dann diese oder jene Partie, wie sie ihr eben zusagte. Tie
	        
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