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Dagegen liefern die Flüsse und Seen einen Überfluß an Fischen: die Bienen
bereiten einen wohlschmeckenden Honig, und der Seidenwurm lebt und gedeiht
ohne Pflege im Freien, wie bei uns die gemeinste Raupe. Der Schoß der
Erde birgt Gold, Diamanten und andere Edelsteine, die an Reinheit und
Härte die aller andern Länder übertreffen, und auf dem Grunde des Meeres
werden Perlen gefunden.
Der Götzendienst der Hindus.
Die eigentlichen Bewohner von Indien, die Hindus, stammen sammt
den Persern und Germanen von Iaphet ab und sind aus NW. in Indien
eingewandert. So lange sie noch in ihrer alten Heimath wohnten, hatten
sie eine geistigere Religion, indem sie ein Lichtreich glaubten und demselben
sieben Lichtgeister vorgesetzt dachten, und als sie nach Indien hinabstiegen,
waren sie noch ein kräftiges Volk mit starkem Willen. Aber in dem frucht¬
baren Lande, das seine Bewohner ohne Blühe nährte, und unter der ermat¬
tenden Hitze des indischen Klimas versanken sie allmählich in Schlaffheit und
Trägheit, und mit ihnen sank ihre Religion zu einer gewöhnlichen Natur¬
religion hinab, in welcher die Erscheinungen des Naturlebens verkörpert und
zu Göttern gemacht werden. So hat sich allmählich folgende, noch bis jetzt
geltende Religionslehre gebildet.
Die drei Hauptgottheiten sind Brahma, Wischnu und Siwa. Brahma
ist der schassende Gott, der das von Brahm angefangene Werk fortsetzt. Er
wird mit vier Köpfen und vier Händen gedacht. Sein Leben ist sehr anrüchig.
Tempel hat er im Lande nicht. Wischnu, der erhaltende Gott, wird viel
mehr verehrt, als Brahma. Seine Anhänger halten ihn für den höchsten Gott.
Er hat nach den Religionsbüchern der Hindus ein schandbares Lasterleben
geführt und ist verurtheilt, zehnmal in verschiedenen Gestalten auf die Erde
zu kommen. Neunmal ist er schon erschienen, einmal als wildes Schwein,
einmal als Schildkröte, einmal als Fisch u. s. m. In der zehnten Verwand¬
lung wird er als geflügeltes Pferd kommen und mit seinen Hufen die Erde
zerschmettern.
Der dritte Hauptgott ist Siwa, der schreckliche Gott, der täglich zer¬
stört, aber aus der Zerstörung wieder Leben giebt. Zur Verdeutlichung denke
man an die furchtbaren Gewitterregen, die alles überschwemmen, als wollten
sie die Erde verderben, und dennoch den üppigsten Psianzenwuchs hervorrufen.
Der schreckliche Gott hat schreckliche Verehrung: denn er wird mit Selbst-
peinigungen ohne Zahl geehrt. Zu seiner Ehre binden sich Menschen mit einer
Kette an einen Baum und gönnen sich keine andere Bequemlichkeit, als daß
sie, wenn sie müde sind, die mundgeschundenen Glieder auf der Kette ruhen
lassen; andere sitzen beständig auf der Erde und halten ihre Hände über dem
Haupte gefaltet, bis die Nägel durch das Fleisch hindurchgewachsen sind;
andere lassen sich einen Haken durch den Rücken treiben und an einem langen
Balken im Kreise schwingen; wieder andere gehen auf Schuhen mit spitzen
Nägeln, oder durchstechen die Zunge und bringen einen Stock in das Loch,
oder bespicken den ganzen Körper mit großen Nadeln; andere martern sich
auf andere Weise. Es geht so weit, daß man gar sinnt, neue Qualen zu
Ehren des Gottes zu erfinden.
Ist Siwa schon schrecklich, so sind seine Kinder es noch viel mehr, vor
allen die schwarze Göttin Kali mit den drei rothen Augen. Sie dürstet