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Ans der Weltgeschichte.
1. Was es «nt dem „Naturzustände" auf sich Kat.
Wenn in unsern Tagen die Europäer zu den fernen Heiden kommen, so
finden sie viele derselben verwahrlost an Leib und Seele, unwissend, schmutzig,
roh und tigerartig grausam. Da haben sie denn gemeint, daß anfangs wohl
die ganze Menschheit so roh und wild gewesen sein müsse, wie noch jetzt jene
Heiden, und haben unsere Vorfahren hoch gepriesen, das; sie sich durch sich
selbst aus der thierischen Roheit zu Ordnung und milder Sitte emporgear¬
beitet hätten. Von jenen Völkern, von denen man meint, daß sie noch in
der Wildheit der Thiere leben, wie sie Gott geschaffen habe, sagt man, daß
sie sich im „Naturzustände" befinden, von denjenigen aber, die die ursprüng¬
liche Roheit abgestreift und sich durch sich selbst milde Sitten und Fertigkeiten
und Künste für das irdische Leben erworben haben sollen, sagt man, daß sie
„gebildete" oder „Kulturvölker" seien. In dieser ganzen Rede von Natur¬
zustand und Kultur ist aber weiter nichts richtig, als daß es jetzt „wilde" und
„gesittete" Völker giebt; alles Übrige ist Fabelei und Träumerei. Hütten sich
wirklich die Menschen durch sich selbst aus einem Zustande thierischer Roheit
emporgearbeitet, warum sind denn alle die Heiden, die jetzt auf der Erde le¬
ben, seit Jahrhunderten ganz auf demselben Punkte stehen geblieben, oder
gar noch tiefer gefallen? Warum kommen die Heiden in unsern Tagen nur
dann weiter, wenn sie mit Europäern in Verbindung treten? Wärmn weiß
kein Mensch davon zu erzählen, daß die.Ägypter, Griechen, Deutschen je in
einem Zustande gewesen sind, der dem der Papuas ähnlich war?
Die Wahrheit ist: Adam war ein Mensch, nach Gottes Ebenbild ge¬
schaffen, der Gott kannte und den Thieren die Namen gab und den Garten
zu bebauen und zu bewahren verstand. Sein Naturzustand war Weisheit,
Gerechtigkeit und Heiligkeit, nicht Roheit, Schmutz und Grausamkeit. Aber
das ist alles anders geworden, seit die Sünde in die Welt gekommen und
die Herzen losgerissen sind von Gott. Da schwanden Erkenntniß Gottes,
milde Sitten und göttliches Leben, und Unwissenheit, Roheit und Ungerech¬
tigkeit kehrten ein. Ein Theil der Menschen zog sich in die Wälder hinein
und gewann die Jagd lieb und kämpfte mit den Thieren um sein Leben,
und rohes Fleisch und wilde Wurzeln waren ihre Nahrung. In der wilden
Umgebung und dem rohen Treiben sanken sie bald zu thierischer Wildheit
hinab. Aus ihnen sind Räuber und Gewaltthätige gekommen und große Er¬
oberer, die das Leben eines Menschen geringer achteten, als das Leben eines
Thieres. Andere gingen an die Ufer der Seen und Flüsse und nährten sich
vom Fischfänge. Sie wurden nicht ganz so wild, wie die vorigen, waren
aber sonst in Leben und Wesen ihnen gleich. Diese beiden Arten von Men-
schen nennt man „Wilde". Wieder andere nahmen die Hausthiere, die ihnen
Gott schon zu Anfang gegeben hatte, mit und nährten sich von denselben:
sie aßen ihr Fleisch, tranken ihre Milch, kleideten sich in ihre Felle und mach¬
ten sich aus den Knochen und Sehnen Geräthschaften. Sie wohnten in Zel¬
ten und wanderten in.it ihren Herden von Ort zu Ort den Weiden und den