Full text: Lehr- und Lesebuch für Töchterschulen

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Wir haben aber nicht blos äußere Sinne, sondern 
auch einen innern Sinn. Vermöge desselben ist uns«re 
Seele fähig, dasjenige wahrzunehmen, was in uns selbst 
vorgeht, z. B. ob wir froh oder traurig sind; wir können 
uns auch selbst von den Vorstellungen, die wir haben, un¬ 
terscheiden, und können wissen, daß wir Vorstellungen von 
Dingen haben; denn wir haben Bewußtsein. Wir 
wissen z. B. daß die Vorstellung, welche wir uns von einer 
Rose machen, nicht die Rose selbst ist; denn die Rose ist 
außer uns, die Vorstellung von ihr aber in uns; wir 
wissen auch, daß wir diese Vorstellung haben. — 
Dasjenige, was wir durch unsere Sinne wahrnehmen, 
können w;r von andern Dingen unterscheiden. Ich 
werde z. B. eine Birne nicht leicht mit einem Apfel ver¬ 
wechseln; ich werde sie beide entweder an der Gestalt, oder 
ani Gerüche, oder an der Farbe und am Geschmacke unter¬ 
scheiden. Dasjenige, woran man eine Sache von andern 
Dingen unterscheiden, und sie wieder erkennen kann, nennt 
man ein Merkmal oder Kennzeichen. (An welchen 
Merkmalen erkennt man einen Vogel? einen Käfer? einen 
Baum? eine Kirche? eine Stadt?) Diejenigen Dinge, 
welche gar keine Merkmale mit einander gemein haben, 
nennt man unähnliche, und wer zusieht, worin zwei 
Dinge einander unähnlich sind, der unterscheidet sie. 
Es ist z. B. ein Unterschied zwischen einem Pferde und ei¬ 
ner Gans; sie sind sich beide in vielen Stücken unähnlich; 
das Pferd hat Merkmale, welche die Gans nicht hat, z. B. 
vier Füße , Hufe, eine Mähne u. d. m.; die Gans hat da¬ 
gegen wieder Merkmale, welche dem Pferde fehlen, z. B. 
Federn, Flügel, Schnabel u. d. m. (Worin sind sich wohl 
unterschieden: der Hund und das Schaaf? — ein Vogel 
und ein Fisch? — ein Haus und eine Kirche?) — Derje¬ 
nige Mensch, welcher leicht aüch feine Verschiedenheiten 
zwischen Dingen bemerkt, heißt scharfsinnig. — Nur 
wer die Dinge in der Welt richtig unterscheidet, kann sie 
richtig beurtheilen, und gebrauchen.^ Wer z. B. Giftpflan¬ 
zen nicht von den genießbaren, nützliche Bücher und Ge¬ 
sellschaften nicht von schädlichen unterscheidet, wird sie nicht 
richtig schätzen und beurtheilen, und leicht zu seinem und 
Anderer Schaden falsch unter ihnen wählen. Wer aber
	        
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