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Achter Zeitraum.
man um des Ganzen willen des einzelnen Mannes persönliche
Sonderbarkeiten; denn auch an dem Verkehrten und Irrigen
richtet sich die Zeit zum Wahren und Besseren empor, zumal
da Friedrich in den Staatsmaximen wie überall seine Persön¬
lichkeit am wenigsten vorwalten ließ, sondern jede Meinung und
jede Ueberzeugung duldete, demnach nicht bloß Katholiken neben
Protestanten, sondern Juden lind jegliche Sekte mit gleichem Rechte
neben einander wohnen ließ. Aber Unrecht wäre cs, wollte
man die Fortschritte der Geisteskultur bloß in Preußen und
Oestreich suchen; denn überall regte sich der bessere Sinn und
nicht selten hatte dieser oder jener Zweig bereits anderswo den
Vorsprung gewonnen; nur sprießte fortan die keimende Saat,
wo sie sorgfältigere Pflege fand, um so rascher empor. Und
ein großes Feld lag dem Forschungsgeiste offen; denn der große
Reichthum des Wissens unserer Tage war damals noch nicht
aufgefunden, vielmehr seit einigen Jahrzehnden erst in seinen
Fundgruben mit ergiebigerem Erfolge nachgesucht worden. Die
eigentlichen Vertreter solchen Strebens, die Männer der Wissen¬
schaft und des veredelteren Geschmackes selbst hier einzeln nam¬
haft zu machen, würde zu umständlich seyn.
Was endlich die Religionsangelegenheitcn in Teutschland
betrifft, so hatten zwar die Verhältnisse seit dem westfalischen
Frieden meistens einen rechtlichen Ruhestand gewonnen, nach¬
mals die politischen Berechnungen vor den religiösen Partheiun-
gen den Vorsprung gewonnen und dieselben in der Hauptsache
ganz überboten; allein nichts desto weniger war die Entzweiung
in den Gemüthern zurückgeblieben, Mißtrauen und ängstliches
Abwagen der gegenseitigen Befugnisse und Vortheile nicht aus
dem Leben weggeräumt. Ein sogenannter evangelischer
Körper hatte sich gebildet und dem gegenüber eine ähnliche
Gewährleistung oder Vertretung der katholischen Interessen ins
Leben gerufen. Dadurch blieb der alte Partheienkampf, wenn
auch in ganz anderer Art, an der Tagesordnung; nur rechne¬
ten die Politiker weniger in diesem Sinne, wenn der weltliche
Vortheil die Maßregeln an die Hand gab; selten aber war der
religiöse Eigensinn ganz davon getrennt und viele Beispiele zeig¬
ten offen genug, daß die Zeiten der wechselseitigen Duldung
noch nicht gekommen waren. Vielfache Bedrückungen von bei¬
den Seiten offenbarten die eigentliche Denkart, da man doch
bereits zur Genüge hätte überzeugt seyn müssen, daß in den
Zeiten der vorangeschrittenen Aufklärung nur die Ueberzeugung,
nicht der gewaltsame Nothstand mehr, auf die Entschließungen
wirken solle, letzterer im Gegentheile nur die Gemüther empöre
und den Willen um so feindseliger in der leidigen Rechthaberei
festhielte. Darum sind nach dem westfälischen Frieden auch die¬
jenigen Rücktritte zum Katholicismus nur von erfreulicher Be¬