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seiner Lüste. Die Religionslehre zeigt dem Menschen, wie er sein Gemüth
veredeln und heiligen und seine Handlungen einrichten müsse, um seine ihm
von Gott gegebene Bestimmung zu erreichen; sie macht ihn ferner mit dem
bekannt, was Gott gethan und angeordnet hat, um ihn aus der Knecht¬
schaft der Sünde zu erlösen und ihm die Macht zu geben, ein Kind Got¬
tes zu werden, erneut nach dem Ebenbilde seines Schöpfers in Gerechtig¬
keit und Heiligkeit.
IV. Der Mensch und seine Destimmnng.
Unser Zustand.
Daß wir Menschen nicht dazu bestimmt sind, bloß dem Irdischen
zri leben, sondern daß wir im Gegentheil die Bestimmung haben,
nach dem, was droben ist, nach dem Höchsten, dem Himmel
zu trachten, das zeigt uns schon der Bau, die Haltung unsers
Leibes. Aufrecht ist unser Gang, und unsere Augen schauen empor
nach den Sternen, über welchen die Herrlichkeit Gottes thront. Und
was unser Leib andeutet, das bestätigt der in ihm waltende Geist.
Der Menscheng eist hat hienieden seines Gleichen nicht; er fühlt
es tief, das Verwandte ist über ihm. Er ahnet eine Welt der
Geister, und inmitten derselben eine Sonne der Geister, einen
Vater und Herrn aller Geister, der auch seine Sonne, sein Herr
und Vater ist. Da ist sein Himmel, und dahin geht sein Zug
und Flug, seine Sehnsucht.
Was aber unser Geist über unsre Bestimmung ahnet, das lehret
uns die heilige Schrift, Gottes Offenbarung im 1. Mos. 1,
26—28: „Und Gott sprach: Lasset uns Menschen machen, ein
Bild, das uns gleich sei, die da herrschen über die Fische
im Meere, und über die Vögel unter dem Himmel, und über das
Vieh, und über die ganze Erde, und über alles Gewürm, das auf
Erden kriecht! Und Gott schuf den Menschen ihm zum Bilde, zum
Bilde Gottes schuf er ihn. Und Gott segnete sie und sprach:
Seid fruchtbar und mehret euch, und füllet die Erde, und machet
sie euch Unterthan!" Und Kap. 2, 7: „Gott blies dem Menschen
ein den lebendigen Odem in seine Nase, und also ward der Mensch
eine lebendige Seele." Gottes Ebenbild auf Erden zu sein, dazu
sind wir erschaffen. Unser Leib kann aber das Ebenbild Gottes
nicht darstellen. Denn Gott ist ein Geist — und nur unserm
Geist, unserer Seele kommt das Ebenbild Gottes zu.
Daß der Mensch, dieses zarte, schwache Geschöpf, in allen Ge¬
genden der Erde, dort, wo die glühende Sonne über unsern Häuptern
kreist, wie da, wo ein ewiger Winter herrscht, ausdauert, daß er die
Reiche und Kräfte der Natur, die Thiere, Pflanzen und Mineralien
— Luft, Feuer und Wasser sich dienstbar macht, daß er die feinsten
und riesenhaftesten Kunstwerke hervorbringt, daß er die Bahnen der