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45. SLlbenräthsel.
Die zwei letzten Silben sind
Spiele für des Knaben Hand;
Mancher tapfre Mann gewinnt
Sie im Kampf für's Vaterland.
Wo das Erste lieblich rinnt,
Hüpft das Ganze froh am Rand'!
46. Undank.
Ein Mann besaß einen Diamant in seiner rohen Gestalt; er
hatte gehört, daß ein außerordentlicher Glanz in dem Steine liege,
doch wußte er ihn nicht zu schleifen. Ein geschickter Künstler über¬
nahm die Mühe; sie war nicht gering, doch gelang ibm die Arbeit
trefflich. Der Eigenthümer glänzte mit demselben bei vielen fest¬
lichen Gelegenheiten und vergaß den Künstler, der ihm diese Freude
verschafft hatte.
Wer ist dieser Diamant? Das Kind mit köstlichen Gaben; der
treue Lehrer ist der Künstler, und seine Gaben sind es, womit er
des Kindes Gaben ausgebildet, so wie der Diamant nur mit Di¬
amantenstaub zu schleifen ist. Viele Mühe hat der Künstler anzu¬
wenden, bis des Kindes Anlagen entwickelt sind, und nur unendliche
Geduld, Gewandtheit und Klugheit bringen es dahin, daß endlich
der Knabe als gebildeter Jüngling und Mann dastehe; aber
nach wenigen Jahren vergessen manche Eltern der Mühe und Arbeit
des liebreichen, wohlthätigen Lehrers.
47. Die Sonne bringt es an den Tag.
Gemächlich in der Werkstatt saß
Zum Frühtrunk Meister Nikolas.
Die junge Hausfrau schenkt ihm ein,
Es war im heitern Sonnenschein;
Die Sonne bringt es an den Tag.
Die Sonne blinkt von der Schale Rand
Malt zitternde Kringelein an die Wand,
Und wie den Schein er ins Auge faßt,
Da spricht er für sich, iudem er erblaßt:
„Du bringst es doch nicht an den Tag!"
„Wer nicht? Was nicht?" fragt die Frau sogleich,
„Was stierst du so an? Was wirst du so bleich?"
Und er darauf: „Sei nur still! Rur still!
Jch'S doch nicht sagen kann, noch will:
Die Sonne bringt's nicht an den Tag!"