120 Deutschland. Die Straßenkämpfe in Berlin.
Wer waren diese Barrikadenkämpfer? Außer den Arbeitern
und Gesellen znm Teil die schlechtesten, zum Teil die edelsten
Elemente eines großen Volkes: da sah man Jünglinge und
Mäuuer, welche in edler Begeisterung wähnten, sich auf dem
Altar des Vaterlandes opfern zu müssen, Studenten und Litteraten,
Bürger und Beamte, aber auch Lumpen und Taugenichtse, Stra¬
ßenjungen und Gesiudel aller Art, Kerle, die mit der Brannt¬
weinflasche in der Hand in das Publikum schrieen: „Freiheit
oder Tod!"
Das Militär griff (nachmittags 3 Uhr) nachdrücklich an,
anch mit Kanonen und focht, obwohl Zugleich von den Dächern
und ans den Fenstern mit Steinen und Kugeln bekämpft, mit
derselben Ausdauer wie das Volk. Bis in die Nacht währte
der Mmige Straßenkampf, aber als der 19. März hereinbrach,
waren die Truppen fast überall Sieger.
Mit Festigkeit hätte der König nun ohue Zweifel deu Auf¬
stand erstickt, er versuchte es mit einem Ausrufe „an meine lie¬
ben Berlinerder, am frühen Morgen des 19. erlassen, das
Volk aufforderte, die Waffeu niederzulegen nnd dem Herzen des
Landesvaters zu vertrauen. Die Volksführer nahmen diese An¬
sprache mit Hohu auf; sie hofften, was sie wünschten, daß die
Truppen zu ihnen übergehen wurden; sie selbst waren zu fana-
tifiert, um nicht bis miss äußerste kämpfen zu wollen. Dagegen
erschienen viele Bürger auf dem Schloß und versprachen dem
König, wenn er das Militär zurückziehe, so würden sie die Ruhe
wieder herstellen. Friedrich Wilhelm, fast besinnungslos vor
nervöser Erregung, körperlich nnd geistig erschöpft und um uur
dem Schießen und Blutvergießen feiner Unterthanen ein Ende
zu machen, willigte ein, befahl die Truppen zurückzuziehen, er¬
ließ eine politische Amnestie, genehmigte die Bildung einer Bür¬
gerwehr, welche Personen nnd Eigentum schützen sollte, und ord¬
nete^ die Ersetzung des bisherigen Ministeriums durch ein frei¬
sinniges Kabinet an. Die Civilbehörden waren indes nicht die
einzigen, die den Kopf verloren hatten; auch den höheren Offi¬
zieren fehlte hie und da die Geistesgegenwart. So geschah es,
daß man die Trnppen infolge einer irrtümlichen Ordre, über
deren Ursprung einiges Dunkel waltet, statt bloß in die Kaser¬
nen zurück zu ziehen, gleich aus der Stadt entfernte und damit
der Revolution das Feld räumte. Tie Demokraten hatten also
nicht Unrecht, sich des Sieges zu rühmen; denn die Stadt war
nun unter ihrer Herrschaft.
So hatte auch Preußen feine Revolution gehabt, und eine
siegreiche! Der Frendenrnf der Exaltierten teilte sich rasch den