Full text: Kurzer Unterricht in den wissenswürdigsten Realkenntnissen

210 
Das heilige römische Reich deutscher Nation. 
weise von der scholastischen Theologie ab und geriethen gleichfalls auf 
Abwege und Einseitigkeiten. Häretische Anschauungen und Bestrebungen 
endlich hatten das ganze Mittelalter hindurch niemals aufgehört (Gott¬ 
schalk, Amalrich von Bena, David von Dinanto, Katharer, Albigenser 
und Waldenser), gleichfalls seit dem 14. Jahrhundert erlangten diese 
auch Bedeutung in weitern Kreisen; das Wehen einer neuen Zeit, des 
Zeitalters der Reformation wurde stärker und stärker (Wittes, Huß). 
Die Hauptvertreter der mittelalterlichen Wissenschaft blieben die 
Mönche; unter den neu entstehenden Mönchsorden zeichneten sich vor 
allen die Dominikaner und Franziskaner durch ihre wissenschaftlichen Lei¬ 
stungen aus, über alle Dom- und Klosterschulen erhoben sich die Hoch¬ 
schulen, Universitäten. Die berühmteste theologische Schule war zu 
Paris; alle großen Theologen haben dort studiert, meistens auch gelehrt. 
Um berühmte Lehrer sammelten sich viele Schüler (Paris soll manch¬ 
mal 20,000 Studenten gezählt haben), nicht bloß Jünglinge, sondern der 
Mehrzahl nach Männer, und dies machte es nothwendig, daß eine be¬ 
stimmte gesetzliche Verfassung für die Schüler eingeführt wurde. Der 
Geist jener Zeit schuf immer selbst; die Studierenden bildeten eine Ge¬ 
nossenschaft, und hatten ihre Unterabtheilungen in den sogenannten Na¬ 
tionen oder Landsmannschaften. Wie die Genossenschaften der anderen 
Stände ihre eigenen Magistrate besaßen, so die Studierenden ihren 
Senat, Rektor, Kanzler, und wie überall der Weg auswärts geöffnet, 
aber nur dem Erprobten erlaubt war, so stieg der ausgezeichnete Stu¬ 
dierende die Stufen der akademischen Würden hinan, deren höchste er 
als Doktor erreichte. Eine solche große Schule wurde von dem Lan¬ 
desherrn mit Gebäulichkeiten und Einkommen ausgestattet, und begü¬ 
terte Männer hielten es für verdienstlich, den Bestand derselben durch 
Schenkungen zu sichern; der Papst aber war es, welcher eine solche 
Schule sanktionierte und überwachte, denn sie sollte dazu dienen, christ¬ 
liche Erkenntniß und christliche Gesinnung zu pflegen und zu verbreiten. 
Aus der großen theologischen Schule zu Paris erwuchs nachher die erste 
Universität (Universitas Ltlläiorum), so genannt, weil der ganze Umfang 
des menschlichen Wissens, jede Wissenschaft daselbst gelehrt werden sollte; 
aber jede Wissenschaft sollte sich innerhalb des christlichen Kreises be¬ 
wegen, darum blieb der Papst Oberaufseher und Beschützer der Universi¬ 
täten, deren Gründung jedoch, worin die Fürsten wetteiferten, dem fol¬ 
genden Zeiträume angehört. Neben Paris waren Bologna als Schule 
der Rechtskunde, Salerno und Montpellier als medicinische berühmt und 
aus allen Ländern besucht; die ältesten deutschen Universitäten sind Prag 
(1348), Wien (1365) und Heidelberg (1386).
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.