425
Es ist auch wahrgenommen, daß die Störche bisweilen vor
ihrer Abreise gen Süden eine große Versammlung halten, einen
Kreis bilden, einer in der Mitte steht, viel geplappert und räson-
nirt wird, und endlich alle auf den in der Mitte losstürzen und
ihn durchbohren. Man will vermuthen, daß sie nach dem Ge¬
setze Lykurgs handeln, und sich über einen Schwächling, der aller¬
dings öfter weiblich als männlich sein wird, berathen, und diesen,
weil er die weite Reise nicht mitmachen könne, zu seinem eigenen
Besten, und um unterwegs nicht mit ihm geplagt zu sein, töd-
ten. Die Sache ist seit Älianos noch nicht aufgeklärt. Daß sie
aber etwas Außerordentliches thun, ist außer Zweifel.
Das dritte Auffallende ist ihre menschliche Weise; z. B.
geräth ein HauS, auf dem sie wohnen, in Brand, so tragen sie
die Jungen, wenn sie noch nicht fliegen können, auf dem Rücken
fort.
Ja, der Storch wacht und hat schon eine große Welt um
sich, viel Erkenntniß des Sinnlichen und der Verhältnisse, viel
Denk-, Gefühls- und Willenskraft. ' Er ist eine meisterhafte
Vorbereitung auf die noch vollkommneren Thiere, die ihm aber
darin vollkommen gleich sind, daß auch sie mehr und minder
Wachen und Bewußtsein in ihrer und von ihrer kleinern und
größer» Welt haben. Man nennt den Storch wegen seiner
Ruhe und Besonnenheit den Philosophen, den Plato und Leib¬
nitz unter den Vögeln, wie man den Elephanten unter den
Säugethieren den Weisen nennt. Wenigstens steht kein Vogel
über ihm.
P. Scheitlin (Thicrfeelcnkunde).
210. Sehet die Vögel unter dem Himmel an.
a. Der Vögel Gesang.
Nun lob' mein' Seel' den Herrn!
Wenn die Vögel von ihrer Wanderung im Frühling wie¬
der zu unS kommen, da singen sie mit lieblichen Tönen Gottes
Lob, und wenn sie im Herbste wieder fortziehen, da hört man
abermals von vielen die Töne der Freude und des Lobes. So
lollte auch die Metsichersteele, nicht bloß dann, wenn sie aus
vielen Jrrsalen endlich die Stätte ihres BleibenS in Christo fand,
Lieder des Löbens und Dankens anstimmen, sondern sie sollte
diese Loblieder auch vernehmen lassen, wenn endlich die Srunde