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denn auch Wachs und Honig in reichlicher Menge eintragen. Der
Imker bringt nun später seine Ausbeute fuderweise meist nach
Hamburg und kehrt mit gefülltem Beutel zurück. Man kann den
Werth des sährlich erzielten Wachses wohl auf 200,000 Thaler
anschlagen. Der Honig der Lüneburger Heide kommt fast dem
Polnischen Jungfernhonig gleich, hat aber eine dunklere Farbe.
Durch ihre übergroße Menge werden die Bienen zuweilen den
Menschen gefährlich; denn sie fallen in dichten Schwärmen über
ihre Beleidiger her. Es ist schon vorgekommen, daß ein ganzer
Trupp Reiter von ihnen tu die Flucht geschlagen wurde.
Neben dem Buchweizenbau und der Bienenzucht gilt als drit¬
tes Hauptgeschäft der Heidebewohner die Schafzucht. Die hie¬
sigen Schafe führen den sonderbaren Namen »Heideschnucken« und
bilden den »Negerstamm unter den Schafen«. Obwohl sie eine
geringe Wolle liefern, so ist doch der Gewinn nicht unbeträchtlich,
da die Thiere geringer Pflege bedürfen. Sobald der Frühling
in's Land kommt, treibt der Schäfer seine Heerde hinaus, die an
den jungen Heldesprossen reichliche Nahrung sindet. Bis spät an
den Abend bleiben Hirt und Heerde im Freien. Die Heideschnucke
ist sehr klein, meist grau, aber Kopf, Bauch und Beine sind schwarz;
zuweilen ist auch das ganze Thier schwarz oder röthlich. Männchen
und Weibchen haben kleine Horner; das Fleisch ist schmackhaft;
die Wolle wird um Johanni und wieder um Michaeli geschoren.
Die Hauptnahrung dieser Thiere bilden die jungen Spitzen der
Heide, die sie im Sommer und bei trocknem Wetter auch im Win¬
ter im Freien suchen müssen. Bei naßkaltem Wetter bleiben sie
im Stalle und bekommen dürre Heide nebst etwas Buchweizenstroh.
Die Mutterschafe bekommen einen Zusatz von Buchweizen-, Hafer¬
oder Roggenkörnern. Den Heideschnucken sind die Schafe ähnlich,
welche in den Heidegegenden Schottlands, Englands und Frank¬
reichs weiden. x)
Die Bewohner der Lüneburger Heide, auf eine QMl. circa
1200 Seelen, führen ein glückliches, zufriedenes Leben, was frei¬
lich mit den Begriffen, die der Süddeutsche von ihnen hegt, nicht
gut übereinstimmen will. Und doch sind sie zufrieden im vollsten
Sinne des Wortes! Ihre Einfachheit und Anspruchslosigkeit läßt
nicht mehr fordern, als was der Heideboden darbietet. Den schön¬
sten Beweis hierzu liefern die Auswanderungslisten. Während in
M'.ttel- und Süddeutschland oft ganze Dörfer durch die Wande¬
rungssucht ausgeleert werden, fällt es hier kaum Jemandem ein,
aus der Heimath nach fernem Lande sich zu sehnen. Man hält
hier fest am alten Sprichworte: »Bleibe im Lande und nähre dich
redlich!« Würden den» wohl die Süddeutschen auswandern, wenn
sie sich nicht in einer bedrängten Lage befänden? Ich bezweifle