Full text: Geographische Skizzen aus Europa

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das Leben im Freien über Alles und Genügsamkeit, Billigkeit der 
Lebensrnittel und mildes Klima kommen daher sehr zu statten. 
Tausende der Neapolitaner sind Bettler von Profession; selbst 
wohlgekleidete, schlecht besoldete Beamte und die Schildwachen 
sprechen den Vorübergehenden um Almosen an. Daher sind auch 
Diebstähle keine Seltenheit, und andererseits ist Alles, selbst die 
Justiz, für Geld käuflich. Auf den Straßen wird fast Alles ab¬ 
gethan: hier hobeln Tischler, dort arbeiten Schneider und Schuster, 
hier predigt ein Mönch, dort produciren Taschenspieler und Sän¬ 
ger ihre Künste; wieder an andern Stellen wird gekocht, gegessen 
und getrunken, das Bartscheeren und die Reinigung des Kopfes 
vorgenommen. In den Seitengassen tritt das Elend der Bewoh¬ 
ner noch besonders hervor. Unrath auswerfen, Ungeziefer ablesen, 
betteln in jeder Form: das sind dir Dinge, die bis zum Ekelerregen 
dem Auge sich darbieten. Von den Einwohnern der Stadt und 
des Landes, die besonders früher sehr oft zum Aufruhr geneigt 
waren, galt ehedem die harte Redensart: »Neapel ist ein Para¬ 
dies, darinnen nichts als lauter eingefleischte Teufel wohnen.« 
Die die Stadt vertheidigenden 5 Kastelle sind: d'Uovo, nach 
seiner Eiform benannt, auf einem Felsen mitten im Meere, mit 
dem Festlande durch eine 220 Schritte lange Brücke verbunden, 
reich an Erinnerungen aus der neapolitanischen Geschichte;. Castello 
Nuovo, das älteste und bedeutendste, schon zu Ende des 13. Jahr¬ 
hunderts erbaut; Sant Elmo, auf einem hohen Felsen, der Neapel 
in zwei Hälften theilt, den schönsten Aussichtspunkt über die Stadt 
und Umgegend gewährend; Pizzo Falcone und Torrino del Car¬ 
mine. Der Hafen Neapels ist 3 — 4 Faden tief und hat die Ge¬ 
stalt eines L, auf dessen Ecke ein/Leuchtthurm sich erhebt. Der 
schöne Molo dient, nebst der Chiaja, ein am Meeresufec sich hin¬ 
ziehender Quai oder Stadttheil, als Spaziergang. Unter den 
Straßen ist die »von Toledo« am schönsten. Sie ist 1300 Schritte 
lang, ziemlich breit, schnurgrad und von zwei stattlichen, hohen 
Häuserreihen eingeschlossen. Ebenfalls schön und sehr belebt ist 
die »Strada nuova« oder Neue Straße, eine Fortsetzung der vori¬ 
gen. Unter den Plätzen ist in geschichtlicher Hinsicht merkwürdig 
der »ViktuakreAmarkt« (Mercato, ^Largo del Earmine), auf dem 
am 28. Oktober 1268 Konradin von Schwaben hingerichtet wurde. 
Große oder wenigstens ausgezeichnete Gebäude giebt es nicht viel. 
An der Spitze derselben steht das »Waisen- und Besserungshaus« 
(Albergo reale d'Poveri). Sehr prachtvoll ist das Theater »San 
Carlo«, wohl das schönste Europa's. In dem »Museum Bourbon« 
werden viele Alterthümer aus Herkulanum und Pompeji aufbe¬ 
wahrt. Unter den Kirchen zeichnet sich die »Domkirche« und die 
Kirche »Sant Gennaro de Poveri« aus. Letztere enthält ansehn¬ 
liche Katakomben; in der erstern, mit 110 Säulen von Granit
	        
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