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„Der Abhang, den wir durchstreiften, ist grasreich. Auf sei¬
nem ersten Absätze sind Wiesen angelegt, und man trifft da auch
einige Wohnungen an, die von dem Thale aus kaum sichtbar
sind. Hier wählte ich mir einen Wegweiser. Weiter hinaus wer¬
den die Kräuter immer ärmlicher. Man trifft nur Schafcrhüt-
ten und einige zerstreute Heerden an. Kein Baum, kein Strauch
ist in diesem Theile des Thales zu sehen; nichts erhebt sich über
das Gras; nur die rothe Blume des Rhododendron heitert das
eintönige Grün dieser Gegend auf. Dieser niedrige Strauch ist
das einzige Brennholz, das der Bewohner dieser hochgelegenen
Weideplätze hat. Da, wo er wächst, darf man glauben, daß
man schon 4 bis 5000 Fuß über die Meeresfläche sey."
„Das Thal, in welches wir jetzt kamen, war nicht weniger
traurig, als die Abhänge, dle wir verließen. Die Felsen zeigen
schon ihre fast senkrechten Lager, und die Seiten sind mit ihren
Trümmern bedeckt. Hier endigen sich die Weideplätze der Hir¬
ten von Barreges; die höheren Gegenden haben sie an die rei¬
cheren Schäfer von Bearn zur Benutzung verkauft. In dem
Augenblick, da wir in das Thal traten, erblickten wir auf den
Hohen eine Heerde, die in dem ruhigen Besitz der Weideplätze
zu seyn schien; aber unser Hirt urtheilte sogleich aus ihrer An¬
sicht, daß die Führer nur verstohlen hier weideten, und er irrte
sich nicht. Kaum batte er uns seinen Argwohn entdeckt, so
sahen wir, daß die Hunde die Heerde sammelten und die Hirten
erschienen. Unser Wegweiser äußerte ein großes Verlangen, sie
einzuholen; aber die Hirten rückten vorwärts und hielten sich
immer in gleicher Entfernung von uns; alles war auf seiner
Hut; nichts trennte sich von dem Haufen; die Hunde, die
Schafe sogar schienen zu begreifen/daß sie in Feindeslaude
waren, und die Heerde wendete sich, immer fortweidend, gegen
Pässe, die den Schäfer ausser Furcht setzten, überfallen zu werden."
„Unser Weg führte uns in diesem Tbale an einen großen See,
der See von Oucet genannt. Schroffe Felsen schließen ihn an
der Abendseite ein; auf der andern Seite hingegen waren kleine
Thäler von heitrem Grün, und vorn das Horn, das sich jäh
noch 320 Klaftern hoch (zehn mal höher als ein Kirchthurm) zu
einem schönen Kegel erhebt. Im Monat Mai, wo wir den
Berg bestiegen, war der See noch mit Eis bedeckt. Eine schöne
Wildniß ist dieser Ort; die Berge verketten sich wohl, die Fel¬
sen haben eine große Gestalt, die Umrisse sind kühn, die Gipfel
erheben sich wie Thürme."
„Die Sonnenhitze nahm zu und nöthigte uns, einige Augen¬
blicke auszuruhen. Die Luft war ruhig und von dem wohlrie¬
chenden Seidelbast durchduftet; die Hundsrage sind der Früh¬
ling dieser Orte. Langsam traten wir wieder unsern Weg an.
Ich schritt rüstig voran, und bald konnten mir meine Gefähr¬
ten nicht mehr folgen. Ich überließ ihnen den Wegweiser und