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gcnblicf kamen zwei junge Bergbewohner auf uns zu; schön und
wohlgebaut schritten sie barfuß mit der Anmuth und Leichtigkeit
daher, die so vorzüglich die Bewohner der Pyrenäen auszeichnet.
Ihre Mützen waren geschmackvoll mit Bergblumen geschmückt,
und ihr abenteuerliches Ansehen hatte etwas besonders Interes¬
santes. Sie wollten das Horn ersteigen und fragten uns, ob
etwa Nebel auf dem Thale lagen; denn bloße Neugier führte sie
von den Bearncr Bergen hierher."
„Von den Ufern des Sees nahmen wir unsere Richtung ge¬
gen die südlichen Höhen des Bastaner-Thalcs. Ich führte meine
Gefährten auf die höchsten Hütten dieser ganzen Gegend zu.
Ich kannte die Hirten und wußte gewiß, daß ich hier Milch
finden würde. Die Milch der Pyrenäen steht aber eben so sehr
unter der, welche man auf den Alpen antrifft, in Ansehung der
Güte als in Hinsicht der Menge; aber die, welche wir hier fan¬
den, war, wegen ihrer lieblichen Kühle, ein höchst angenehmer
Trank. Die Hirten verwahren ihre Milch gegen die starke Hitze, die
man einige Stunden des Tages auf der südlichen Seite ihrer
Berge zu empfinden hat, dadurch, daß sie sic in das nächste fließende
Wasser stellen. Hier legen sie einen zu diesem Behuf bestimm¬
ten Behälter an, und zwar öfters in einem sehr reißenden Berg-
strome. In solchen reißenden Gewässern befindet sich die Milch
in einer Kälte, die beinahe den Gefrierpunkt erreicht. Die Ge¬
fäße sind von Fichtenholz und aus einem einzigen Stücke. Große,
artig geschnitzte hölzerne Löffel schwimmen zum beliebigen Ge¬
brauch auf der Oberfläche der Milch. Die Behälter sind ge¬
wöhnlich sehr weit von den Hütten entlegen und bleiben der öf¬
fentlichen Redlichkeit überlassen; doch aber ist für einen Frem¬
den alles so gut versteckt, daß er vorübergeht, ohne ihr Daseyn
zu vermuthen."
„In neun Stunden machten wir diese Reise zu Fuß, mit
öfterem Verweilen. So doch also dieser Berg ist, so erfordert
cs doch wenig Zeit und Mühe, ihn zu ersteigen."
2i. Cretins, oder kropfige Menschen in den Pyrenäen.
In Gebirgsgegenden sind kropfige Menschen eben keine Sel¬
tenheit; in Steiermark, Kärnthen, Tyro! findet man derselben
genug. Meistens ist das harte Gebirgswaffer Schuld an ih¬
rer Krankheit. Aber die kropfigen Cretins in den Pyrenäen
scheinen Menschen von ganz eigener Art zu seyn, die den
Thieren fast eben so nahe stehen, als den Menschen. Nicht nur
baden sic einen ungeheuern Kropf, sondern auch einen ganz
stumpfen Verstand und eine lallende unverständliche Sprache.
Ihr Gesicht sieht glänzend und verbrannt aus; ihr Körper ist
schwach und unbehülflich; zu nichts haben sie natürliches Ge¬
schick, und dabei sind sie auch noch dem weißen Aussatz unter¬
worfen. Allgemein werden sie daher gemieden; Niemand will