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daß es kaum in der Welt seines Gleichen haben kann. Aber
warum mißfällt es, bei all seinen Wunderwerken der Kunst,
wenn man lauge da ist? Weil Städte und Dörfer sich alle glei¬
chen und das Land überall einerlei ist. Einige Gegenden sind
mit Lusthäusern besetzt und bisweilen so damit angepropft, daß
sie die Einbildungskraft ermüden und den Geschmack beleidigen.
An andern Orten hat man gar nichts, als die Aussicht auf schöne
symmetrische Dörfer, Wiesen, Kanäle und Moräste. , Der so
allgemeine Anschein des Wohlstandes überrascht und fällt auf.
Die fetten Weiden und das schöne Vieh darauf schmeicheln dem
Auge und geben eine Zeit lang Unterhaltung; aber es bleibt
immer die nämliche Schönheit und das ewige Einerlei des Gan¬
zen macht zuletzt Langeweile.
Die Natur scheint da kalt und wie todt, weil sie der Einbil¬
dungskraft nichts zu thun gibt. Man bewundert, man erstaunt
oft; aber tnan ist niemals begeistert. Eine weite Aussicht, die
aber immer die nämliche ist, führt nie auf unerwartete Scenen,
die uns rühren und erheben. Die Schönheiten dieser Gegend
flößen keine Empfindung ein. Es gibt da Dörfer, groß und
schön wie eine Stadt; schöne, muntere, reinliche Bauerhäuser;
herrliche Kühe^, die man wie die besten Pferde pflegt; sehr gut
unterhaltene Spaziergänge; schöne Alleen, die von einem Dorfe
zum andern führen; Bäume mit glänzenderRinde, die vonZeit
zu Zeit geputzt werden und symmetrisch die Erde beschatten;
aber es gibt keine einsamen, düstern Wälder, wo man sich so
gern seinen Träumereien überläßt; keine Berge, auf welchen
man in die Ferne sehen kann; keine Quellen und sprudelnde
Bäche, keine natürlichen Wasserfälle, kein romantisches Thal,
wo man sich allein in der Welt glaubt; nirgends die wahre
Landluft, welche die Seele aufheitert. Das ganze Land ist nichts
als Kunst. Es muß durch Kanäle durchschnitten und getrocknet
werden, wenn es bewohnbar seyn soll. Mit einem Wort, das
Ganze gefällt nur kurze Zeit, weil es seine einförmige kalte Na¬
tur unter einer erkünstelten Pracht zu verstecken weiß, und dieß
scheint die Ursache zu seyn, warum dieses Land in die Länge so
wenig Eindruck macht. Es bleibt ewig wahr, daß nur die un¬
gekünstelte Natur nicht ermüdet. Hier aber, wo Dorf an Dorf,
Kanal an Kanal, Allee an Allee stößt, wo die Wege am Ufer
nie von Menschen leer werden, und sorgfältig mit kleinen zer¬
stoßenen Muscheln bestreut sind, verräth alles die Spur von
Menschenhänden. Alles ist wie zusammen getragen. Umsonst
sucht das Auge nach einem Berge, nach einem Strome; selbst
das Wasser fließt in geraden Linien. Alles ist eckig und in Vier¬
ecke und Dreiecke abgetheilt. Die Symmetrie scheint dem Hol¬
länder angeboren, und ein so wesentlicher Theil von ihm selbst
zu seyn, als die Luft, die er von Kindheit auf einarhmet. Sie
herrscht an seinem Kleide, in seinem Hause bis auf den Sand,
Curop. Land. G