Full text: Europa's Länder und Völker

In diesem Dorfe war es, wo der Czaar Peterder Große 
von Rußland den Schiffbau erlernte, und es wird noch jetzt das 
Haus und das Zimmer gezeigt, welches er bewohnte. Dieser 
große Mann, welcher sich vorgenommen hatte, seine Nation zu 
bilden, und durch die Einführung aller nützlichen und schonen 
Künste zu veredeln, hielt es für nöthig, mit sich selbst den An¬ 
fang zu machen, und seinen Unterthanen das Beispiel einer frei¬ 
willigen Erniedrigung zu geben, um sie zur Nachfolge zu reizen 
und ihnen den Stand eines Künstlers und geschickten Hand¬ 
werksmannes desto ehrwürdiger zu machen. Er entsagte daher 
auf eine Zeit lang seinem Stands und seinem Vaterlande, ging 
nach Holland und wurde ein Schiffszimmermann, sammelte 
sich auch daselbst noch eine Menge anderer nützlicher Kenntnisse, 
und kehrte mit einer zahlreichen Schaar Künstler und Hand¬ 
werker nach Rußland zurück, wo er nachher eine Zeit lang als 
gemeiner Soldat diente, um den Großen seines Reicks Subor¬ 
dination zu lehren, und sie zu bestimmen, sich gleichfalls gefal¬ 
len zu lassen, wie er, von unten auf zu dienen. — Das Haus, 
welches er bewohnte, wird, nach seinem Namen, der Peiers- 
bof genannt. Sein Zimmer, welches man noch jetzt zeigt, ist 
klein und dunkel, und ganz dem Stande angemessen, zu wel¬ 
chem er sich herabließ. 
Wie reich manche Familien in diesem Dorfe sind, laßt sich 
daraus abnehmen, daß öfters bloße Holzhändler über 3000 Gul¬ 
den auf ihren Hochzeitschmaus verwenden, und bisweilen eine 
Summe von zwei Millionen Gulden zusammen geheirathet wird. 
Ein Reisender (Herr von Spaen) macht von Zaerdam fol¬ 
gendes Gemälde, welches wir unsern Lesern nicht vorenthalten 
wollen: 
Bei meiner Ankunft in Zaerdam, sagt er, erblickte ich ein 
ungeheures Dorf, aus einigen tausend Häusern bestehend, die 
grdßtentheils von Holz, aber so zierlich angemalt waren, als 
man es nur immer in unsern besten Zimmern findet. Ich sah 
sonderbare plumpe Kerls, die eben so plump als geschmacklos 
gekleidet waren, und schöne muntere Weiber, aber auch ein we¬ 
nig eigen in der Tracht. An den schönen Hausern sah ich Tbü, 
reu, durch welche man nicht geht, Fenster, durch prächtige La¬ 
den verschlossen, aus denen Niemand sieht, und wäre ich in die 
Häuser gekommen, so hätte ich zuverläßig auch Zimmer ange¬ 
troffen, in die kein Mensch kommt. Vor den Däusern sind 
sehr kleine Gärten, in welchen Muscheln, Sand, Bur, Wasen, 
Blumen und Gemüse sich um das bischen Boden streiten. In 
diesen Gärten findet man auch Statuen, kleine Meerkatzen, 
u. s. w., die eben so abgeschmackt aussehen als ihre Herren. 
Auch sah ich in kleinen offenen Wagen, die mit einem Pferde 
bespannt, gemalt und mit Schnitzwerk und Vergoldung, welche 
mehr Prahlerei als Geschmack zeigen, verziert waren, viele schöne
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.