Full text: Europa's Länder und Völker

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íi. Charakter der niederländischen Kaufleute; 
ihre Sparsamkeit; ihr Aufwand. 
Die Holländer können sich nach dem etwas harten Urtheil 
gewisser Reisenden nicht vorstellen, daß sich die Sitten eines 
Kaufmanns mit den gesellschaftlichen Sitten vertragen. Nach 
ihrer Meinung darf der Kaufmann mit seiner Frau, seinen Kin¬ 
dern und Handlungsbedientcn bloß für die Handlung leben; er 
muß seine ganzeLebenszeit hindurch traurig, mürrisch,hauptsächlich 
aber haushälterisch bis zur Knauserei seyn. Eine Pfeife Tabak 
und eine Tasse Thee sind bei vielen holländischen Kaufleuten die 
einzigen Vergnügungen, die sie sich erlauben, wenn sie nicht bei 
der Kaufmannschaft als Verschwender gelten wollen. Man sieht 
sie selten lächeln, und spricht man mir ihnen von etwas ande, 
rem als Handlungssachen, so antworten sie bloß mit einsylbigen 
Worten. Sie sind kalt für alles was keine Beziehung auf sie 
selbst hat, und voll Feuer, wenn ihnen dieHoffnung leuchtet ei¬ 
nen Dreier zu gewinnen. Ungeachtet ihrer großen Sparsam¬ 
keit sind sie aber doch — ein schöner Ruhm! — äußerst mildthätig 
gegen die Dürftigen. In der bloßen Stadt Amsterdam haben 
die milden Stiftungen zusammen genommen ein Einkommen 
von mehr als 1,800,000 Gulden. Jeder wohlhabende Mann 
bricht sich mit Freuden etwas an seinem Munde ab, um nur 
eine brave, aber zahlreiche Familie unterstützen zu können. Reiche 
Kaufleute geben an ihre Bäcker, Fleischer, Gewürzkrämer u. s. w. 
Ordre, gegen Vorzeigung eines Billets eine bestimmte Menge 
von ihren Waaren an Arme unentgeldlich verabfolgen zu lassen. 
Letztere bekommen nun die Billets und lassen die Waaren dar¬ 
auf holen, ohne daß sie sich der Demüthigung unterwerfen mü߬ 
ten, ihren Namen zu nennen. Fällt ein harter Winter, eine 
Theurung ein, so sind die außerordentlichen Collekten, wodurch 
man die Bedürftigen zu unterstützen sucht, sehr reich, und be¬ 
tragen in Städten, wie der Haag, Haarlem u. dgl. zwanzig- 
tausend, in Amsterdam aber bis gegen sechzigtauscnd Gulden. 
Ist nun der, der spart, um seinen hilfsbedürftigen Bruder 
zu unterstützen, als ein verächtlicher Mensch zu betrachten? 
Die ehemalige niederländische Sparsamkeit hat inzwischen 
auch in andern Stücken abgenommen. Der Amsterdamer Mil¬ 
lionär glaubt nicht mehr, wie sonst, die Stadt zu Grunde zu 
richten, wenn er in einer Kutsche fährt; man findet auch keinen 
uordholländischcn Deputirtcn mehr im Haag, der mitHolzschu- 
hen und einer dazu passenden Bauerntracht, seine Mahlzeit mit 
einem Vutterbrode, im Schatten des Haagischen Lustwälochcns 
hielte; dessen ungeachtet aber sucht noch immer der Kaufmanns¬ 
stand jährlich einen gewissen Theil feiner Einkünfte auf den 
Nothfall zurückzulegen. Es versteht sich aber von selbst, daß es 
in den Nledcrlandcn auch viele Familien gibt, die auf dem ver,
	        
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