Vierter Abschnitt.
Luthers Einfluh auf das geistige Leben der Deutschen.
Mit großer Treue diente Luther unterdessen fortwährend seinem
nächsten Berus als Wittenberger Professor und als Prediger der Pfarr-AFchor
kirche. Bei dieser uümlich blieb er dem ordentlichen Pfarrer, seinem bi0er-
Freund Bugenhagen, als freiwilliger Mitarbeiter zur Seite, wurde auch,
als derselbe wiederholt und auf lange Zeit im Dienste der Reformation
nach Dänemark, Hamburg und andern Orten abgegangen war, fein
ordentlicher Stellvertreter und hielt im Jahre 1527, als wegen einer
Pest die Universität nach Jena wegzog, bei ihm und der geängsteten
Gemeinde auch wider den Wunsch seines besorgten Landesherrn getreu¬
lich aus. Als ihn einmal leibliche Leiden längere Zeit von der Kanzel
zurückhielten, predigte er wenigstens in seinem Hanse für seine Familie,
sein Gesinde und einige Freunde. Auch der Inhalt seiner meisten
Vorlesungen und ein großer Teil seiner Predigten wurden durch Freunde
zum Drucke gebracht und so in die Weite hinaus verbreitet.
Immer, auf dem Katheder und auf der Kanzel, war es das
Gotteswort der heiligen Schrift, das er möglichst lauter und schlicht
zum Verständnis bringen und eindringlich den Herzen vortragen wollte.
Er blieb dabei, in seinen Vorlesungen nur biblische Bücher aus¬
zulegen. Hier nahm er Anlaß, in die Grundlehre der Schrift vom
christlichen Heil immer neu einzuführen und je nach Gelegenheit in
reichen und mannigfaltigen Ausführungen auch über die Fragen des
sittlichen Lebens sich zu verbreiten. Unseren Ansprüchen an eine Aus¬
legung, welche zunächst einmal möglichst genau, sprachlich und geschicht¬
lich, den Sinn des einzelnen Schriftstellers und der einzelnen Schriften
feststellen soll, genügt er hiermit nicht, wiewohl er auch hierin seine
scholastischen Vorgänger weit übertroffen hat. Andererseits kam er bei
diesem Verfahren nie dazu, die christliche Wahrheit den Studenten in
der Form eines dogmatischen Systemes vorzutragen. Eigentümlich aber
blieb so auch seinen lehrhaften Ausführungen der lebendige Hauch, der
sie überall vom biblischen Worte aus bewegt, durchdringt und frucht¬
bar macht. Für die strengere wissenschaftliche Unterweisung in der
Theologie hat Luther den Studierenden vielmehr immer die Hauptschrift
seines Freundes Melanchthon, die sogenannten Loci desselben, aufs
dringendste empfohlen.