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fen vor. Zwar sind sie stolzer und gröber, aber weit gewand¬
ter, behender, kraftvoller, klüger, pünktlicher, mäßiger, besser
gekleidet und minder anmaßend als die Portugiesen/
6. Bettler in Lissabon.
-Lissabon wimmelt von Bettlern; und auf das Auge des
Fremden macht ihre ungeheure Menge einen widrigen Eindruck.
Sie vermehren sich auf allen Seiten, man sinder sie überall;
man wird von ihnen auf den Straßen und öffentlichen Platzen,
in den Kramläden und vor den Kirchthürcn bestürmt. Sie drin¬
gen in die Kirchen selbst und unterbrechen die Andacht der Be¬
tenden durch ihr lästiges Fordern. Lüe laufen in alle Häuser
und klopfen an alle Thüren; ein einziger Bediente ist oft nicht
hinreichend, ihrer Zudringlichkeit zu wehren. Oft erscheinen sie
in der ekelhaftesten Unreinlichkeit, ganz vom Ungeziefer zerfressen.
Manns- und Weibspersonen treiben dieses'Handwerk und hal¬
ten frühzeitig ihre Kinder dazu an. Man findet daher viele junge,
rüstige und zum Arbeiten tüchtige Leute unter ihnen, welche die
Mildthätigkeit guter Menschen mißbrauchen, denn die Portu¬
giesen machen im Geben selten einen Unterschied. Jeder Bettler-
ist in ihren Augen ein Dürftiger; und wenn sie gleich nicht viel
geben, so lassen sie doch wenige ganz leer von sich gehen. Sie
reichen ihnen fünf Rees (fünf Heller), sehr oft aber nur drei.
Weniger können sie nicht wohl geben, weil die Dreireesstücke
ihre kleinste Münze sind. Die Kargen haben aber eine Finte
erdacht, ihre Gabe doch noch mehr zu beschränken: sie geben
nämlich dem Bettler ein Fünfreesstück und lassen sich ein Drei¬
reesstück herausgeben, so daß dem Bettler nur zwei Rees blei¬
ben. — Die Fremden geben nicht Jedem ohne Unterschied, aber
sie geben reichlicher; deswegen machen sich auch die Bettler vor¬
züglich an sie und verfolgen sie von Gasse zu Gasse, bis sie ih¬
nen abgepreßt haben, was ihnen anfangs, ihrer Unwürdigkeit
wegen, verweigert wurde.
"Alle Elende und Gebrechliche mit auffallenden und Mitleid
erregenden Krankheiten ziehen aus dem ganzen Lande nach Lis¬
sabon. Ueberall, in den Straßen und an den Ecken, auf den
Plätzen und an den Häusern, liegen kranke, von Ungeziefer und
schrecklichen Hautkrankheiten angefressene Menschen, oder andere
Bettler, die durch Unreinlichkcit und ihre Folgen so entstellt sind,
daß sie bei einem Fremden durch ihren ekelhaften und fürchter¬
lichen Allblick, wie durch den Geruch, den diese lebenden Kada¬
ver um sich verbreiten, gleich starke Empfindungen von Mit¬
leid, Erstaunen und Abscheu erregen. Alles Elend, welches hicr
in einer so häßlicher» Gestalt erscheirrt, ist aber mehrentheils eine
natürliche Folge der Lebensart dieser Leute, ihrer grenzenlosen
Faulheit und ihres Müßiggangs. Die mehresten armen Portu¬
giesen arbeiten gar nicht/ sondern hungern lieber und sonnen