Full text: Europa's Länder und Völker

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Flüche trifft Jeden, der ihr zu nahe kommt, und wäre es mit 
der prächtigsten Equipage. 
Trotz seiner Reizbarkeit und Grobheit ist das Hamburger Volk 
gutmütig und nicht zu Erceffen und Verbrechen geneigt. Ham¬ 
burgs Geschichte sührt kein einziges Beispiel von Ermordungen 
an. Oft schon empörte man sich wider den Magistrat und nahm 
die Beamten, die man für schuldig hielt, gefangen; aber man 
erschlug sie nicht, sondern lieferte sie in die Gefängniffe ab. 
Die Hamburger Dienstboten stehen allgemein in dem Rufe des 
Trotzes und der groben Ungefälligkeit. Was sie vorzüglich keck 
und unverschämt macht, ist die Einträglichkeit ihrer Stellen. 
Zwar ist ihr Lohn nicht sonderlich groß, aber die alte Sitte ver¬ 
schafft ihnen bei jedem häuslichen Feste oder ähnlichen Gelegen¬ 
heiten Trinkgelder, die sich oft auf große Summen belaufen. Es 
wird zu Hamburg, wie in vielen andern Städten, für eine Pflicht 
angesehen, daß jeder Gast beim Weggehen dem Bedienten ein Ge¬ 
schenk macht, das oft den Werth des Genossenen übersteigt. Und 
ist eine Frau im Wochenbette, so gehr die Lütgemaid (Jun¬ 
gemagd) schön geputzt, mit einem Regenschirme in der Hand, 
und einem Waisenknaben, der eine Liste der Freunde und Bekann¬ 
ten trägt, zur Seite, in der Stadt herum, verkündet die frohe 
Botschaft und erwartet eine Belohnung dafür. Man versichert, 
daß bisweilen die Niederkunft einer angesehenen Kaufmannsfrau 
ihren Hausleuten über 400 Mark (gegen i5o Thaler) eingebracht 
habe. 
So sehr auch der Kausmannsgeist, der Geld über alles erhebt, 
in Hamburg herrscht, und mit Gleichgültigkeit auf die Vorzüge 
des Geistes, des Standes oder der Geburt herabsieht, so gibt cs 
doch auch unter ihnen sehr achtungswerthe Männer, die gleich¬ 
sam zwei Seelen besitzen, eine für ihr Gewerbe und eine ganz 
verschiedene für die Gesellschaft. Es ist ein ehrenvolles Zeugniß 
für diese Stadt, daß Männer wie Hagedorn, Lessing und 
Klopstock sich dort so wohl befanden, und sie die großen Ver¬ 
dienste auch anderer Gelehrten zu schätzen wußte. Ehedem, sagt 
man, übten die Kaufleute nur ihre Gastfreundschaft gegen andere 
Handelsherren; feit dem größeren Aufblühen der Wissenschaften 
und Künste in Deutschland gehören aber auch Gelehrte und Künst¬ 
ler zu den Geehrteren, die man durch freundliche Einladungen 
auszeichnet. Jeder, der nur auf irgend eine Art Aufmerksamkeit 
verdient, kann bestimmt darauf rechnen, eingeladen und geehrt 
zu werden. Nur darf sich Keiner beigehen lassen, die Freigebig¬ 
keit seines Wirthes noch weiter in Anspruch zu nehmen, und viel¬ 
leicht gar Geld von ihm borgen zu wollen, wie cs der altere F 0 r- 
ster versuchte. Er sprach einen Hamburger Kaufmann, der ihn 
glänzend bewirthc.te, um ein Darlehn von 200 Thalern an. Er 
dachte, der Mann werde sich eine Freude machen, ihm aus der 
Verlegenheit zu helfen, denn er war ein Millionär. Allein der
	        
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