438
Natur zusammengesetztes Behältniß, dem seiner Gestalt wegen der
Name einer Kanzel gegeben wurde. In der Mitte desselben
steht ein verdorrter Baum, der ziemlich einem Todtengerippe
gleicht. Auf den Hexenstuhl führt eine Leiter, die der Zahn der
Zeit so morsch gefressen hat, daß der Weg hinauf ziemlich hals¬
brechend ist. Der Hexenbrunnen gibt ein reines klares Wasser.
Wir schöpften Alle daraus und tranken auf die Gesundheit aller
Hexen.
Mit verdoppelten Schritten eilten wir nunmehr in unser Brok-
kenhaus zurück, denn Hunger und Kälte, schlimmer als Teufel
und Zauberinnen, peinigten uns gewaltig. Ein tüchtiges Früh¬
stück aber, verzehrt am warmen Ofen, brachte die fast ganz erlo¬
schenen Lebensgeister wieder zurück. Wir Alle schrieben uns wäh¬
rend des Frühstücks in das sogenannte Brocken buch ein.
Meine beiden Freunde und der Jäger kehrten von hier aus
wieder heim; ich aber wollte das Harzgebirge nicht verlassen,
ohne vorher die Biels- und die Baumannshöhle zu be¬
suchen.
Die Biels - und die Baumannshöhle.
Diese beiden Höhlen liegen in dem herzoglich-braunschweigi¬
schen Fürstentbum Blankenburg. Die Bielshöhle ist erst feit
dem Jahre 1787 entdeckt und so bequem als möglich zum Befah¬
ren eingerichtet worden. Beide sind Tropfsteinhöhlen. Der Tropf¬
stein, oder vielmehr das Wassex, das ihn bildet, fällt zwar nur
spärlich in die Bielshöhle, hat aber recht artige Figuren ange¬
setzt. Fast überall kann man in den Gängen, ohne anzustoßen,
herumgehen.
Schauerlicher als diese ist die verrufene Baumannshöhle.
Wir waren unser sechs. Alle in Bergmannskittel gekleidet. Je¬
der seine Blende in der Hand. Zuerst kamen wir an eine einsam
gelegene, mit Buschwerk und Moos bewachsene Felsengrotte, wo
wir unsere Blenden anzündeten. Der Obersteiger, unser Führer,
forderte uns auf, mit ihm zu beten und führte uns dann mit einem
herzlichen Glück zu! in den Stollen (den Gang).
Der Stollen war schmutzig und enge, auch so niedrig, daß
wir mehrentheils gebückt gehen mußten; fürchterlich aber war
der Anblick der ersten Höhle selbst. Meine Erwartung wurde so
sehr übertroffen, daß ich in den ersten Augenblicken stille stand
und um mich herschaute wie in der Mitte einer neuen Welt. Das
bange Grausen, das ewig hier ruht, die schreckliche Grabesstille,
die in diesem weitschichtigen Erdgcwölbe von nichts als von dem
leisen Tröpfeln des Tropfsteinwassers unterbrochen wird, das
Schimmern der feuchten Wände, der falbe Schein unserer Lich¬
ter, das Wanken meiner Begleiter, die wie Berggeister umher
wandelten, ihre Schatten, die sich bald dehnten, bald verkürzten,
der Laut unserer Stimmen, die oft tausendfach wiederhallten —