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Man sicht nicht einmal, wie in Arabien, Beduinen Herumschwei¬
fen , oder Pilger oder Karavanen durch die Wüste ziehen. Wie
ein Blinder könnte man halbe Tage lang herumirren, ohne sich
zu stoßen. Der ödeste und traurigste Theil des Weges ist zwi¬
schen Celle und Schafsthal. Da ist nichts als Sand, Herde,
Moor, umgeben von Tannen- und Fichtenwäldern. Man erblickt
da kein Haus, kein Wasser, keinen Menschen, kein Thier, selbst
keinen Vogel, außer etwa einen Flug hungriger Raben. Der
Wagen der Reisenden bewegt sich so langsam, leicht und leise',
daß Letztere bald in tiefen Schlaf eingewiegt werden. Rings um¬
her scheint die ganze Natur mit ihnen zu schlafen.
Doch nein, die Lüneburger Heide ist nicht ganz ohne Leben.
Eine große Menge genügsamer Schafe nährt sich von den ma¬
gern und gewürzhaften Heidekräutern, und Millionen Bienen
schwärmen auf ihren Blüthen umher. Sogar einige Dörfer trifft
man auf dem Wege von Celle nach Lüneburg an, wie z. B.
Schafsthal, wo es dem Auge des Reisenden sogar vergönnt
ist, sich an dem Anblick einiger Buchen zu erquicken, und Eps-
dorf, wo man vortrefflichen kalten Braten, Parmesan- und
Schweizerkäse, sehr gutes Brod und sogar Maderawein hat, wenn
man, wie ein schalkhafter Reisender sagt, Alles selbst im Wagen
mitbringt. In der Nähe der Dörfer wird auch ziemlich viel Hei¬
dekorn gebaut, und die Bienenzucht sehr stark getrieben. Durch
ihre übergroße Menge werden die Bienen hier bisweilen den Rei¬
senden nicht wenig gefährlich, denn wenn sie auf irgend eine Art
gereizt werden, so fallen sie in dicken Schwärmen über ihre Be¬
leidiger her, bedecken in einem Augenblick Gesicht und Hände,
kriechen Pferden und Menschen in die Nasenlöcher, in den Mund,
in die Ohren, und verwunden sie in wenigen Minuten so grau¬
sam mit vielen tausend Stichen, daß Kopf und Hände schwellen,
und die muthigsten Pferde betäubt niedersinken und dem Angriff
ihrer kleinen aber zahlreichen und grimmigen Feinde unterliegen.
Eben so die Menschen. Man hat Beispiele von ganzen Piketen
Reiterei, die auf der Lüneburger Heide von gereizten Bienenschwär¬
men in die Flucht gejagt wurden. Diese Fälle sind aber selten;
und der Schaden, der bisweilen geschieht, wird durch den Nuz-
zen, den die Bienenzucht bringt, reichlich vergütet, denn man
schätzt ihren Ertrag an Honig und Wachs jährlich über 200,00c»
Thaler. Auch die Schafzucht ist sehr einträglich, obgleich die
Heideschafe nur klein und unansehnlich sind.
Das Königreich Sachsen.
Sachsen, im Jahre i8i3 noch ein sehr ansehnliches König¬
reich, ist durch die Verfügungen der andern europäischen Mächte
um die jHälfte verkleinert worden, König F r i e d r i ch A u g u st.