Full text: Europa's Länder und Völker

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Soldat aus, der plötzlich davon befallen wurde, und deßhalb sei¬ 
nen Abschied verlangte, der ihm aber verweigert wurde, weil der 
Mensch sich vollkommen wohl zu befinden schien, und gar kein 
Grund da war, weßwegen man ihn hätte entlassen können. Allein 
von jener Zeit an verlor der Arme alle Eßlust; seine körperlichen 
Kräfte schwanden zusehends, und er zehrte sich binnen wenigen 
Wochen sosehr ab, daß ihn die Aerzte verloren gaben. Sein 
Major besuchte ihn eines Morgens, fand ihn halb todt, und 
sagte ihm jetzt wenigstens einen Urlaub bis zu seiner völligen Er¬ 
holung zu, den er ihm auch noch denselben Tag zuschickte. Der 
Mensch wartete nicht bis zum folgenden Morgen. Er stand so¬ 
gleich auf, machte sich reisefertig, und am Abend desselben Ta¬ 
ges sah man den Patienten, der noch am Morgen nicht aufrecht 
zu sitzen vermochte, mit dem Tornister auf dem Rücken wohlge- 
muth zum Thore hinaus wandern. Bald erlangte er in der Hei- 
math seine volle Gesundheit wieder. Er kam zur festgesetzten Zeit 
aus seinem Dorfe zum Regimentó zurück; seine Sehnsucht war 
für immer gestillt, und er lachte, wenn ihn hernach seine Kame¬ 
raden foppend an seine Heimath und die vaterländischen Gebirge 
erinnerten. Ueberhaupt hat man gefunden, daß der Mensch von 
dem Heimweh, wie von den Pocken nur einmal in seinem Le¬ 
ben befallen wird. Ist sein großer Wunsch, die geliebte Hei, 
mach wieder zu sehen, einmal befriedigt, so fühlt er sich daun 
für immer geheilt, und kann fortan außer Landes so frisch und 
vergnügt als in seinem Vatcrlande leben. 
Der Pyrmonter Brunnen. 
In einem angenehmen Thale, von hohen Bergen umgeben, 
liegt die fürstlich Waldeckische Stadt Pyrmont mit ihrem nach 
alter Art befestigten Schlosse, ihrem Gesundbrunnen und den An¬ 
lagen, wodurch er verschönert ist. Dieser Brunnen war schon zur 
Zeit der Reformation so berühmt, daß sich im Jahre i556 zehn¬ 
tausend Fremde als Kurgäste hier einfanden. Das Wasser wird 
als Getränk und zum Baden gebraucht. Es erquickt, stärkt, 
hebt die Stockung der Kräfte, belebt den Kreislauf des Blutes, 
befreit vom Schleim u. s. w. Das große Badehaus dient zugleich 
als Gasthof. Gewöhnlich aber miethen sich die Brunnengäste in 
Privathäusern ein. 
Des Morgens um sechs Uhr sammeln sich die Kurgäste bei 
dem Brunnen, beginnen die ihnen bestimmte Anzahl Gläser Was¬ 
ser zu trinken, und gehen dabei einige Zeit spazieren. Dieser Zu¬ 
sammenfluß von Personen beiderlei Geschlechts, die im Morgen¬ 
anzug unter den majestätischen Lindenbäumen einer herrlichen Al¬ 
lee auf und ab spaziert, bat etwas sehr Angenehmes. Eine an¬ 
genehme Instrumentalmusik unterhält während der Zeit das Ohr. 
Man begrüßt seine Bekannten, der Freund sucht'den Freund, 
und Alles theilt sich allmählig in kleinere und größere Gruppen,
	        
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