Full text: Europa's Länder und Völker

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Wenige raubten, das ihnen das feindliche Schicksal gegeben hatte, 
mögen diejenigen sagen, die Zeugen von diesem traurigen Ereig- 
Nisse waren. — Jetzt, da die verpestete Höhle, in der die Jsrae- 
liten leben mußten, und in die sie jede Nacht eingeschlossen wur¬ 
den, vernichtet ist, haben sie sich auch ui andern Theilen der 
Stadt angesiedelt, oder sie leben doch bequemer in der neu auf¬ 
gebauten Gasse; ihre Lebensart ist aber noch immer dieselbe. Doch 
nicht alle Frankfurter Juden sind arm und geben sich mit bloßem 
Schacher ab; cs gibt unter ihnen anch viele sehr angesehene und 
zum Theil außerordentlich reiche Handelshäuser, die es unter dem 
vormaligen Fürsten Primas dahin brachten, daß ihnen und ihren 
Glaubeusgelwssen für eine gewisse Summe das Bürgerrecht ver¬ 
liehen wurde, welches man ihnen aber in der Folge wieder strei¬ 
tig machte. 
Das Gegenstück zu jüdischer Gewandtheit und Verschmitztheit 
gibt die sachsenhäusische Rohheit. Sachsenhausen ist eine Vorstadt 
von Frankfurt, oder ein Theil der Stadt selbst, der an dem lin¬ 
ken Mainuser liegt und größtenthcils von Gärtnern, Fischern und 
Handarbeitern bewohnt wird. Die Sitten und Gebräuche der 
Sachsenhäuser- machen sie würdig, dem niedrigsten Londoner Pö¬ 
bel an die Seite gesetzt zu werden. Die Männer führen mit gro¬ 
ßer Fertigkeit den Prügel, und machen mir den Vorübergehenden 
eben so wenig Umstände, als die Hamburger Karrcnschieber; die 
Weiber aber gebrauchen mit noch größerer Geläufigkeit die Zunge, 
und sind, wenn sie zum Zorn gereizt werden, unerschöpflich in 
Schimpfwarten. Uebrigcns aber werden die Sachsenhäuser allge¬ 
mein als fleißige und tüchtige Arbeiter gerühmt. 
Am interessantesten ist die Stadt Frankfurt zur Meßzeit, wo 
das Gewühl der Handelnden, die Lebhaftigkeit auf allen Straßen, 
das bunte Gemisch von großen Kaufleuten und armseligen Krä¬ 
mern, von Beutelschneidern, Marktschreiern, Gauklern den Au¬ 
gen des Beobachters ein sehr abwechselndes, anziehendes, täglich 
neues Schauspiel gewährt. Solcher Messen werden jährlich zwei 
gehalten, und es erscheinen dann Kaufleute und Käufer aus al¬ 
len Gegenden von Deutschland nicht allein, sondern anch aus 
fremden Ländern. 
Doppelt interessant werden dann auch die Vergnügungsorte, 
die zu solchen Zeiten von Fremden wimmeln. Frankfurt ist 
mit schönen Garten und Landhäusern umgeben, die größtenthcils 
Kaufleuten gehören, die hier ihre Freunde im Sommer bewirthen 
und von ihren Geschäften ruhen. Einige stehen dem Publikum 
offen. Es fehlt auch nicht an andern angenehmen Anlagen und 
Spazierplätzen. Man macht Lustpartieen nach den umliegenden 
Ortschaften, besonders Hausen, Ob errad, Bornheim, 
Offe n b a ch, nach der Fr i e d b erge r Wa r r e n. s. w.; auch 
Ausflüge nach H a n a u, W i l h e l m s b a d, H o m b u r g, W i e s- 
b a d e n.
	        
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