Der böhmische Aufstand.
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haben sollten. Unter den königlichen Gütern verstanden die Protestanten auch
die geistlichen Güter, weil diese Krongut waren; in der Tat waren geist-
liche Güter wiederholt von Königen verkauft, verschenkt oder verpfändet wor-
den. Die Katholiken bestritten aber diese Auffassung. Als daher die Protestan-
ten in der zum Erzbistume Prag gehörigen Stadt Kloster grab (westlich von
Aussig) und in der Stadt Braunau (im nordöstlichen Böhmen), die dem
Abte des Benediktinerklosters Braunau untertänig war, Kirchen erbauten,
wurde die erste niedergerissen, die zweite gesperrt. Die Protestanten wandten
sich nun an den Kaiser, der aber ihre Beschwerde scharf abwies. Darüber em-
pört, zogen ungefähr 100 protestantische Adelige unter der Anführung des
Grafen Matthias Thurn auf das Prager Schloß und warfen die kaiser-
lichen Räte Martinit; und
Slawata, denen man die un-
gnädige Abweisung der Be-
schwerde zuschrieb, und den Se-
kretär Fabricius aus dem
Fenster in den Schloßgraben
(1618). Trot des tiefen Falles
kamen die Herabgestürzten ohne
bedeutenden Schaden davon.
Dann nahmen die protestanti-
schen Stände selbst die Regie-
rung in die Hand, sammelten
ein Heer, dessen Führung Graf
Thurn erhielt, und vertrieben
die Jesuiten. Während die Auf-
ständischen ganz Böhmen besetz-
ten und gegen Österreich heran-
zogen, starb Matthias und
Ferdinand von Steiermark (Fig. 44) folgte ihm in der Regierung.
b) Der Winterkönig. Die Niederwerfung des Aufsstaudes 1620. Fer-
dinand II. war bei seinem Regierungsantritte in einer verzweifelten Lage.
Thurn war mit einem Heere bis vor die Mauern Wiens gekommen und auch
Gabriel Bethlen, von den Protestanten Ungarns zum Könige gewählt, war
im Anmarsch gegen Österreich. Dazu kam noch die Erhebung der österreichi-
schen Stände. Eine Abordnung derselben drang in die Burg, um Ferdinand
umfassende kirchliche und politische Freiheiten abzuringen. Aber Ferdinand
blieb fest. Jn der größten Not kam, von Oberst Dampierre gesandt, eine Ab-
teilung Kürassiere unter lautem Trompetenschall in die Burg geritten und ver-
scheuchte die Empörer. Auch Thurn zog von Wien ab, da aus Böhmen dic
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