228 
und gemartert ward und mit einer Dornenkrone wieder hinaus¬ 
ging! - 
Andres, hast Du je was Aehnliches gehört, und fallen Dir 
nicht die Hände am Leibe nieder? Es ist freilich ein Geheimnis, 
und wir begreifen es nicht; aber die Sache kommt von Gott und 
aus dem Himmel; denn sie trägt das Siegel des Himmels und 
trieft von Barmherzigkeit Gottes. 
Man könnte sich für die bloße Idee wohl brandmarken und 
rädern laßen, und wem es einfallen kann, zu spotten und zu 
lachen, der muß verrückt sein. Wer das Herz auf der rechten 
Stelle hat, der liegt im Staube und jubelt und betet an. 
— Andres, was ist doch für ein Sinn in Allem, das aus 
seinem Munde kommt! Es vermahnet mich damit so, wie mit 
den Schachteln, wo immer eine in der andern steht. 
Wie unser Herr Christus, so waren auch seine Handlungen 
und Reden, in sich: Gnade und Wahrheit und ewiges Gut, 
und auswendig: armes Fleisch und Blut und Knechtsgestalt. 
Du fragst: welche Geschichten mir die herrlichsten dünken? 
Alle, Andres, alle! ... ein jedes Wort, das aus seinem 
Munde gegangen ist, eine jede Bewegung seiner Hand . . . . 
seine Schuhriemen sind mir heilig. Und wer kann sich was wollen 
dünken laßen? 
Wenn er sagt: „Friede sei mit Euch!" so haben wir unser 
ganzes Leben zu thun und werden es wohl im Himmel erst ver¬ 
stehen lernen, was das einzige Wort Friede in seinem Munde 
heiße. 
Andres, Du kannst denken, daß Alles, was ihn angehet und 
was er gesagt und gethan hat, viel Sinn und Bedeutung habe, 
und daß wir zu klein sind, über die Herrlichkeit der Geschichten 
zu richten. 
182. Sonntagsfrühe. 
(Von M. v. Schenkendorf.) 
0, das nenn’ ich sel’ge Stunde, 
Wo man dein, o Herr, gedenkt, 
Wo man mit der frohen Kunde 
Von dem ew’gen Heil uns tränkt! 
Neues Leben, neue Stärke, 
Reiner Andacht frische Glut 
Zu dem frommen Liebeswerke 
Schöpf’ ich aus der Gnadenflut. 
Und von göttlichen Gedanken 
Einen reichen Blüthenstrausz 
Trag’ich heimwärts, Gottzu danken 
In dem kleinen, stillen Haus. 
Gottesstille, Sonntagsfrühe. 
Ruhe, die der Herr gebot! 
Meine Seele, wach’ und glühe 
Mit im hellen Morgenroth. 
Könnt’ ich in dem Zimmer bleiben, 
Wann das Volk zur Kirche wallt? 
Könnt’ ich Alltagswerke treiben, 
Wann der Glockenruf erschallt? 
Wo die holden Worte weilen. 
Die der Herr auf Erden sprach, 
Laszet auch das Brot mich theilen, 
Das er seinen Jüngern brach.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.