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Mathematische u. physikalische Wissenschaften. 
kalische, chemische, metallurgische re. Kenntnisse (wenn auch ohne systematische 
Wissenschaft). Die Schmerzen bei Verwundung und Krankheit sprachen früh¬ 
zeitig die Hilfe der Heilkunde und ihrer Dienerinnen, der Botanik, Anato¬ 
mie n. s. w. an; und wir mögen, auch ohne bestimmtere Nachweisung, an¬ 
nehmen, daß alle jene Zweige der Wissenschaft schon in dieser frühen Periode 
bei allen gebildeten Völkern getrieben wurden. 
Gleichwohl würden dieselben schwerlich bedeutende Fortschritte, oder doch 
äußerst langsam, gemacht haben, wenn sie der Erfindung und Pflege der, 
durch vielfache Lebensmühe belasteten und zerstreuten, einzelnen Menschen 
wären überlasten worden. Sie hoben sich schneller, als besondere Familien 
oder Kasten sie eigens zum Geschäfte ihres Lebens und zum erblichen Besiz- 
thume machten; und es war natürlich, daß solches die Priester thaten, deren 
Bestimmung sie ohnehin zum Nachdenken rief und mit der nöthigen Muße 
versah. ES konnte denselben nicht entgehen, welche großen Vortheile die Wis¬ 
senschaften ihnen zur Vermehrung ihrer Macht und ihrer Schäze bringen mü߬ 
ten, daß aber solches nur alsdann geschehen würde, wenn sie sich im aus¬ 
schließenden Besize derselben erhielten. Daher also ihr zweifaches Streben, 
einerseits nach Erringung der Wissenschaft, andererseits nach derselben Ver¬ 
heimlichung und eigcnuüzigem Gebrauche. Sie schlossen ihr Wissen in die 
Geheimnisse von Zahlen, Hieroglyphen, symbolischen Worten ein, theilten 
den Laien bisweilen die Früchte, niemals den Grund ihrer Kenntnisse mit, 
und hoben ihr anfangs wohlthätiges Wirken mehr als auf durch nachfolgen¬ 
den Geistesdruck und Tyrannei. So gaben sie etwa zum Behuf mechanischer 
und Kunstarbeiten Werkzeuge und praktische Regeln der Mathematik her: das 
Wesen der Lehre behielteu sie für sich. Sie heilten Die Kranken durch na¬ 
türliche oder chemische Stoffe oder diätetische Vorschriften: aber sic verbanden 
damit Beschwörungsformeln und abergläubisches Blendwerk. Sie studirten den 
Lauf der Gestirne, berechneten das Sonnen- und Mondenjahr*) und führten 
— in Chaldäa und Aegypten — die Astronomie so weit, als ohne 
Fernröhre möglich ist; aber die symbolische Bezeichnung verwandelte ihre Lehr- 
säze in Götterfabeln, und die erhabenste Wissenschaft wurde geschändet durch 
astrologischen Unsinn. 
Und nicht immer war solches willkürlicher Trug. Der Grundsaz der 
*) S. Einleitung §. 51.
	        
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