235
Viertes Kap. Römische Geschichte.
Gemüth des nur äußerlich strengen Brutus. Unablässig bemüht, die Leiden
des Krieges zu mildern, verschmähte er harte Maßregeln, selbst wenn die ge¬
rechteste Rache und auch die Klugheit sie zu heischen schienen. Während Cas¬
sius die Mittel des Krieges in reicher Fülle aus den Provinzen zog, blieb
Brutus, der alle Erpressung scheute, arm und bei allen Siezen in Bedrängniß.
Als die Einwohner von Xanthus, das er belagerte, von jener Wuth ge¬
trieben, welche nur in Bürgerkriegen herrscht, ihre Stadt in Brand steckten
und sich unter einander mit Weib und Kindern tödteten, bat Brutus, von
außen herum reitend, mit ausgebreiteten Armen und unter häufigen Thränen
die Xanthicr, ihrer Selbst zu schonen, und ließ durch Herolde großen Lohn
jedem seiner Soldaten verheißen, der einen Feind erretten würde!
In den Feldern von Philippi, in Macedonien, wurde zum leztcnmal
um die Freiheit gestritten (3942. 41 v. Chr.). Hier hatten sich bei Annähe¬
rung der Triumvirn Brutus und Cassius gelagert. Schon war in Afrika
Cornificius der Macht der Tyrannen erlegen. Dennoch und nach unge¬
heurer Anstrengung aller Hilfsmittel der Gewalt und des Raubes schienen die
Triumvirn schwächer, als die Freunde der Freiheit. In einer ersten Schlacht
drang Brutus siegreich in Octavian's Lager. Aber auf dem anderen Flügel
wurde Cassius geschlagen und tödtctc sich in voreiliger Verzweiflung. Auch
in der zweiten Schlacht errang Brutus Vortheile gegen Octavian's Truppen;
allein der Ruin des Flügels, welcher gegen Antonius stand, zog auch den
seinigcn ins Verderben. In dieser Schlacht siel Cato's Sohn, seines Vaters
würdig, der junge Lucullus, Hortensius, Varus und viele Andere.
Edleres Blut und in schönerem Kampfe ist nie geflossen. Brutus, im Geleite
weniger Getreuen, entrann den Verfolgern. Er mußte wohl gut seyn, da
er Freunde hatte, die sich für ihn, wie Lucilius, opferten (Plutarch).
Aber sollte Brutus die Freiheit überleben? — Indem er klagend ausrief:
„O Tugend, nicht Du — das Geschick herrscht hieniedcn!" gab er sich den
ichönen Tod, zu welchem nur ein Leben wie das seinige berechtigt *). Von
ihm und Cato und den Wenigen, die ihnen ähnlich an Erhabenheit des
Sinnes waren, gelten die Worte des unsterblichen Genfcrs: „Nachdem sic
) Antonius, diesmal edel, ließ Brutus Leiche in kostbare Gewänder hüllen, ver¬
brennen, und die Aiche der trauernden Mutter bringen. Octavian aber hatte des Edlen
Haupt nach Rom gcichickt, um vor die Statue Cäsars geworfen zu werden. Auch Porzia,
Brutus Gattin, starb des Gemahls und des Natcrs (Cato's) würdig.