88 Zweites Kap. Geschichte der Griechen.
Dreißig. Als aber die Zehnmänncr, die an ihre Stelle kamen, nicht besser
verfuhren, und Sparta sich mit bewaffneter Macht der Oligarchen annahm;
so brachte doch Thrasybnlus durch Muth und Klugheit, und begünstigt durch
des spartanischen Königs Pausanias Mäßigung, die Abschaffung aller Ty¬
rannei zuwege und, zum Troste über den Verlust der Macht, die Herstellung
der alten Verfassung.
§. 21. Primat Sparta's.
Dieses Ende nahm eie Herrschaft Athens, fünf und siebenzig Jahre nach
der Schlacht bei Salamis, welcher ihr den Anfang gegeben. Viel Großes
batte diese Stadt in solcher Zeit vollbracht: das Reich des Geschmacks und
der Weisheit und damit den Ruhm der Hellenen hat sie ans ewig begründet,
die Macht des Perserkönigs gebrochen, und Griechenland —- wenn sie gleich
selbst es drückte — wenigstens von fremder Herrschaft befreit. Darum
mochte Lysias mit Wahrheit sprechen*), „daß beim Falle Athens Hellas ihre
Haare schcercn, und an seiner Helden Grab als über ihre eigene zu Grab
getragene Freiheit hätte trauern sollen." Denn Sparta, welches mit per¬
sischem Golde Athen besiegt hatte, gab bald nachher einen großen Theil
der Hellenen den Barbaren Preis, um ungestört über die anderen zu herrschen.
Die Geschichte der spartanischen Nebermacht von der Schlacht bei
Aegospotamos bis zu jener bei Lcuktra stellt uns, in 34 Jahren, eine fast
unabgebrochene Reihe von Freveln und, bei fortwährendem Glanze der Waf¬
fen, das Sinken des edleren Ruhms der Griechen und die Grundlegung ihres
Verderbens dar.
Denn nicht mehr war cs jenes alte Sparta, welches manches Böse durch
eben so viel Gutes ausglich, und uns mit seiner Rohheit und seinem solda¬
tischen Troze durch die ehrwürdigen Tugenden der Selbstbeherrschung, der
Mäßigkeit, der reinen Freiheits- und Vaterlandsliebe versöhnte. Es hatte
nun zu den Lastern der Rohheit auch jene der Korruption angenommen, ja
dieselben gesteigert; die, lange Zeit durch Lykurg's Geseze gewaltsam unter¬
drückten, Leidenschaften hatten sich endlich Luft gemacht, und übten jezt, wie
ein wilder Strom, welcher den einzwängenden Damm durchbrochen, eine
schrankenlose Wuth.
Alle Tugend der Spartaner, mit ihrer politischen Gleichheit und ihrer
*) In der epitaphischm Rede.