Object: Die Belagerung, Eroberung und Zerstörung der Stadt Magdeburg am 10./20. Mai 1631

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der sich soeben erst selbst seine Stellung in der aristokratischen 
alten Gesellschaft erobert hatte, gebrauchte seine Macht noch 
mit der ganzen Rücksichtslosigkeit des Emporkömmlings. Es 
waren die Tage, da die englischen Fabrikanten sich in ihren 
Versammlungen gegen ihre Arbeiter geradezu verschworen, einen 
höchsten Satz für den Arbeitslohn, einen niedersten für den 
Preis der Waren untereinander verabredeten. Die durch Ri¬ 
cardo und Say im Geiste der reinen Kapitalsherrschaft weiter¬ 
gebildete Lehre Adam Smiths herrschte noch überall; das Elend 
der Arbeiter galt für ein unwandelbares Naturgesetz, von Pflich¬ 
ten der Arbeitgeber war kaum die Rede. 
Auch die Staatsgewalt, die in Preußen so oft schon durch 
ihre zwingende Gerechtigkeit sociale Mißverhältnisse ausgeglichen 
hatte, beachtete diese neuen Zustände noch wenig; denn überall 
lebt der Staat langsamer als die Gesellschaft, er vermag ihren 
Wandlungen nur zu folgen. Was die Regierung durch ihre 
Schutzzölle, ihre technischen Lehranstalten, durch die Darlehen der 
Bank und der Seehandlung für den Gewerbfleiß that, kam un¬ 
mittelbar fast allein den Unternehmern zu gute. Zumal die 
Not der Hausindustrie in den Hungergebirgen Mitteldeutsch¬ 
lands blieb den Blicken der Behörden noch beinah ganz ver¬ 
borgen. Dort war das Elend schon sehr groß, taufende fleißiger 
Menschen litten unter den unberechenbaren Preisschwankungen 
des Weltmarktes; in den armen Weberdörfern am Landeshuter 
Kamme ließ sich schon bemerken, wie die durchschnittliche Lebens¬ 
dauer von Jahrzehnt zu Jahrzehnt abnahm. Alle diese socialen 
Gefahren waren erst im Werden; sie wurden aber durch die 
überall entstehenden Fabriken bald allgemein. 
Tie Waren, welche die Dampfe und Arbeitsmaschinen in den 
Fabriken in bisher ungeahnter Menge herstellten, wurdeu ans der 
Eisenbahn und dem Dampfschiff fchnell nnd bequem dahin beför¬ 
dert, wo man ihrer bedurfte. So fand der Fabrikherr trotz der 
Massenherstellung für seine Ware leicht Absatz und gelangte zu 
Reichtum. Seine Ersparnisse vergrößerten sich beständig durch 
Zinszuwachs und es sammelten sich in den Händen einzelner Leute 
Vermögen an, die bei weitem alles übertrafen, was die Welt 
bis dahin an großen Kapitalien gesehen hatte. 
Dem Fabrikherrn gegenüber wurde es dem kleinen Hand¬ 
werker, der langsamer nnd darum teurer arbeitete, immer schwie¬ 
riger, ein selbständiges Geschäft zu behaupten, und das Hand-
	        
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