Summe der politischen Begebenheiten. 1L
durch die von der wiederkehrenden Aufklärung bewirkte Abnahme der päpst¬
lichen Macht hatte Europa seinen Schwerpunkt verloren. Viele Staaten neben
einander strebten empor, und es bildeten sich unter ihnen, je nach den lokalen
oder politischen Berührungen, auch nach genetischen und Kulturverhältmsscn,
einzelne kleinere Systeme, wie in den westlichen, in den skandinavischen,
in den slavischen Reichen, dann auch in der Umkreisung der osmanisch-
türkischen Macht, von welchen jedes, nach den besonderen Zwecken seiner
Thätigkeit und den Prinzipien seines politischen Lebens, eine eigene Sphäre
des Wirkens und Leidens erfüllte. Vereinzelung ist der Charakter der po¬
litischen Geschichte dieses Zeitraums; denn die Präponderauz des Kaiscr-
thums hatte aufgehört, und das System eines europäischen Gemeinwesens
oder des Gleichgewichts unter den europäischen Mächten war noch nicht
in's Daseyn getreten. Es muß daher sowohl die summarische Uebersicht als
die detaillirte Beschreibung dieses Zeitraums die einzelnen Hauptpartien des
historischen Schauplazcs gesondert darstellen.
§. 7. Die Schweiz. Burgund. Italien.
Von den losgerissenen Theilen des Kaiserreiches erhielten die Schweiz,
dann Burgund und viele Staaten Italiens eine zunehmende posttische
Bedeutung.
Der Bund der Schweizer, zum Theil aus unmittelbaren Rcichsangc-
hörigen, zum Theil aus abtrünnigen Unterthanen Habsburgs gcbeldet, erhob
sich durch jene überlegene Kraft, welche das Gefühl der Freiheit gibt, so
wie durch die natürliche Festigkeit seiner Berge und den muthigcn Geist
der Gebirgsbewohner zu glänzendem Ruhme und steigender Macht. Es war
ein Glück für die Welt, daß die starke Feste der Alpen, welche als Zubc-
hvrde eines größeren Staates leicht der Stüzpunkt gefährlicher Plane gegen
Teutjchland, Italien oder Frankreich hätte werden mögen, Besizthum eines
eigenen und freien Volkes und also gegen die Eroberungslust der benachbar¬
ten Mächte ein schwer zu brechender Damm, für die Freiheit Europa's aber
ein herrliches Bollwerk ward. Doch nicht immer haben die Schweizer die von
der Natur selbst ihnen angewiesene Bestimmung erkannt. Von gemeinen Lei¬
denschaften bewegt, hat ihre Politik sich oft durch Ungerechtigkeit und Un¬
treue befleckt, und ist oft ein erkauftes, oft ein mißbrauchtes Werkzeug der
Fremden gewesen.