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Zweites Hauptstück. 
«'chicdencn Punkten das Einschreiten der Polizei und der bewaffneten Macht 
zur Folge hatte. Einer der vorherrschendsten Züge in dein Charakter 
Karls X. war eine Eitelkeit, die selbst durch die Frömmigkeit seiner späteren 
Jahre nur wenig gemäßigt wurde. Nichts verletzte den schwachen Fürsten 
so sehr, als das Verschwinden der äußeren Zeichen der Volksgunst, von denen 
er sich während der ersten Monate seiner Negierung umgeben sah. Schmerz 
und Entrüstung waren in den Gefühlen gemischt, mit denen er nach den 
Tuilericn zurückkehrte, wenn ihn die Volksmassen bei irgend einer Gelegenheit, 
wo er sich öffentlich zeigte, mit stummer Gleichgültigkeit empfingen. Ein 
tapferer Feldherr, der aber zugleich ein eben so geschmeidiger Höfling war, 
der Marschall Ondinot, der die Pariser Nationalgarde befehligte, glaubte die 
freudige Bewegung, welche die Zurücknahme des Paßgesetzes veranlaßte, be¬ 
nutzen zu können, um dem Könige den lange entbehrten Genuß volksthüm- 
lichcr Bcisallsbezeugungcn zu verschaffen. Auf seinen Vorschlag wurde (am 
29. April 1827) eine große Heerschau der Nationalgarde angeordnet. KarlX., 
von dem Dauphin und dem Herzoge von Orleans begleitet und von seinem 
Gcncralstabe gefolgt, ritt durch die dicht gedrängten Reihen: überall wurde 
er mit dem Ruse: „Es lebe der König!" begrüßt. Nur aus der zehnten 
Legion erscholl daneben der Ausruf: „Nieder mit den Ministern! Nieder 
mit den Jesuiten!" Einem Grenadier, der aus dem Gliede trat, um diesen 
Ausruf in der unmittelbaren Nähe des Königs vernehmlicher zu wiederholen, 
entgegnete Karl X. stolz: „Ich bin hierhergekommen, um Huldigungen, nicht 
um Lehren zu empfangen!" Noch kräftiger wurden die mißbilligenden Aeuße¬ 
rungen laut, als die Legionen nach Beendigung der Heerschau bei dem Hause 
des Finanzministers vorüberzogen. Am anderen Morgen erschien eine könig¬ 
liche Ordonnanz, welche die Nationalgarde in Masse verabschiedete. Die 
ultraroyalistische Partei war längst mit dem Plane einer Auflösung der 
Nationalgardcn umgegangen, weil sie der Meinung war, daß diese von 
revolutionairen Ideen angesteckt sey, und weil sie überhaupt dem bewaffneten 
Bürger nicht trauete. Man wollte sich nur auf das Heer stützen, dessen man 
seit dem spanischen Feldzüge gewiß zu seyn glaubte. In dem Ministcrrathe 
hatte die Maßregel, von der sich vorherschen ließ, daß die ganze große Masse 
der Bevölkerung von Paris sie als eine Beleidigung aufnehmen würde, leb¬ 
haften Widerspruch gefunden. Herr von Chabrol hob die nachtheiligen Folgen, 
die aus einem Zurückstoßen des gesammten Bürgerthnmes hervorgehen würden,
	        
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