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Der polnische Freiheitskampf.
feldherren auf beiden Seiten weder angeordnet, noch vorhcrgesehen war, ent¬
spann sich ein Kampf, in den allmälig immer bedeutendere Massen hineinge-
zogcn wurden, der mit furchtbarer Erbitterung den ganzen Tag hindurch
dauerte und zuletzt, nachdem beide Theile mehrere Tausend Todte und Ver¬
wundete verloren hatten, daniit endigte, daß die Polen ihren Rückzug unge¬
hindert fortsetzten. Am folgenden Tage kam cs zu einem neuen Gefechte,
bei dem die Russen eine Menge Leute einbüßten,, indem sie es versuchten, ein
durch zwei sumpfige Graben durchschnittenes Erlenwätdchen zu nehmen, wel¬
ches den Schlüssel der polnischen Stellung bildete. Der Widerstand, den
Diebitsch bei diesem Angriffe fand, zeigte ihm, daß er alle seine Kräfte zu¬
sammennehmen müsse, wenn er denselben brechen wollte. General Scha-
chowskoi, der mit seinem Grenadicrcorps noch auf dem rechten User des Bug
zurück war, erhielt den Befehl, in Eilmärschen heranzuziehen; er sollte die
Polen in die linke Flanke fassen und von Praga abschneiden, während Die¬
bitsch mit der Hauptmacht sie in der Fronte angriff. Schachowskoi's An¬
näherung konnte aber nicht unentdeckt bleiben. Nachdem er den Bug über¬
schritten und das schwache polnische Corps des Generals Jankowski bis nach
Bialolcnka vor sich hergedrängt hatte, wurde er hier durch einige polnische
Bataillone so lange aufgehalten, daß am 23. Februar General Krukowiecki
mit überlegener Macht heranrücken konnte, der hierauf die Russen ihrerseits
zum Rückzüge zwang. General Diebitsch, um Schachowskoi zu retten, der
verloren gewesen wäre, wenn ihm nicht bei Zeiten Luft gemacht wurde, sah
sich genöthigt, die Schlacht ohne ihn zu schlagen. Der Hauptangriff der
Russen war gegen das Erlenwäldchen vor dem Dorfe Grochow gerichtet, das
sie bereits am 20. vergebens zu nehmen versucht hatten, und welches nicht
umgangen werden konnte, weil dasselbe die große Straße beherrschte, auf der
die russische Hauptmacht vorrücken mußte. Chlopicki, der ohne amtlichen Auf¬
trag an Radziwils Stelle den Befehl übernahm, hatte zur Vertheidigung des
Wäldchens den General Zymirski mit zwölf Bataillonen bestimmt, zu dessen
Unterstützung Skrzynccki mit dreizehn Bataillonen weiter rückwärts aufgestellt
war. Das Wäldchen, gegen welches von russischer Seite nach und nach 34
Bataillone andrangen, wurde von den Polen mit heldenmüthiger Tapferkeit
vertheidigt. Genommen und wiedergenommen blieb es der Mittelpunkt des
Kampfes, auf den von beiden Seiten sich alle Anstrengungen richteten. Schon
ist Zymirski tödtlich verwundet vom Schlachtfclde weggetragen, als Skrzy-