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i Drittes Hauptstück.
lichste Theilnahme bezeugt; auch zu Wien sprachen einflußreiche Männer zu
Gunsten des polnischen Aufstandes; und sogar in Berlin waren wenigstens
einzelne Stimmen für denselben gewonnen. Unter diesen Umständen glaubte
der polnische Feldherr keinen klügeren Rath zu finden, als indem er den
Krieg so viel als möglich in die Länge zog. Wenn es ihm nur gelang, den
Kampf bis in den nächsten Winter zu verlängern, so zweifelte er nicht, daß ein
europäischer Kongreß, wie über das Schicksal von Belgien, auch über die Zukunft
von Polen entscheiden würde. Von der einen Seite durch Prondzynski zu kräf¬
tigem Handeln gedrängt, von der andern durch seine eigenen Hoffnungen
zurückgehalten, war er daher in einem beständigen Schwanken, welches keinen
festen Entschluß in ihm aufkommen ließ. So geschah cs, daß er den alten
ängstlichen General Pac von dem linken Weichselufer, auf welches dieser bei
Potyezc zwischen Gora und Pulawy übergegangen war, zurückrief, während
Sierawski seinem früheren Befehle gemäß gegen Kreutz vordrang und Dwcrnicki,
im Vertrauen ausSierawski's Unterstützung, sich anschickte, in Wolhynien'ein¬
zubrechen. Am 17. April wurde Sierawski bei Wronow vom General Kreutz
mit überlegenen Streitkräften angegriffen; nach einem hartnäckigen Kampfe,
in dem die Russen durch ihre überlegene Reiterei und Artillerie siegten, trat
er seinen Rückzug nach Kasimicrz an. Erst jetzt erfuhr er, daß er auf Bei¬
stand von Pac nicht rechnen dürfe. Während er damit beschäftigt war, sein
Geschütz und seine Reiterei auf das andere Ufer der Weichsel überschiffen zu
lassen, wurde er aber von neuem angegriffen. Nach tapferer Gegenwehr aus
allen seinen Stellungen geworfen, schlug er sich mit dem Neste der Reiterei und
zwei Kanonen nach Pulawy durch, wo es ihm gelang, über die Weichsel zu
entkommen. Der größte Theil seines Fußvolkes wurde jedoch vernichtet, und
es sielen den Russen allein an Gefangenen 34 Officiere und 1500 Gemeine in
die Hände. Inzwischen war Dwcrnicki bereits am 10. April bei Krylow über
den Bug gegangen und in Wolhynien eingefallen. General Rüdiger, über
die Macht des Gegners nicht genau unterrichtet, zog sich über den Styr zu¬
rück. Dwcrnicki, der am 11. bei Poreck ein russisches Dragonerregiment ge¬
schlagen hatte, verweilte den folgenden Tag in dieser kleinen Stadt, weil er
erwartete, daß die Bevölkerung von Wolhynien, wie hin und wieder gehende
geheime Sendlinge versprochen, ihm in Masse zufallen würden. Es schloßen
sich ihm aber nur wenige Edelleute und 30 oder 40 Freiwillige aus den be¬
nachbarten Städten an; kein einziger Bauer trat in seine Reihen, und er