Object: [[Band 2] = Mittlere Classen, [Schülerband]] ([Band 2] = Mittlere Classen, [Schülerband])

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so verändert sich Plötzlich die Szene in der Steppe. Das tiefe 
Blau des bis dahin nie bewölkten Himmels wird lichter. Kaum 
erkennt man bei Nacht den schwarzen Raum im Sternbild des 
südlichen Kreuzes. Der sanfte phosphorartige Schimmer der Ma- 
gellanischen Wolken erlischt. Wie ein enrlegenes Gebirge erscheint 
einzelnes Gewölk im Süden, senkrecht aufsteigend, am Horizonte. 
Nebelartig breiten allmählig die vermehrten Dünste sich über den 
Zenith aus. Den belebenden Regen verkündigt der ferne Donner. 
Kaum ist die Oberfläche der Erde benetzt, so überzieht sich die 
duftende Steppe mit Kyllingien und manigfaltigen Gräsern. Vom 
Lichte gereizt entfalten krautartige Mimosen ihre gesenkt schlummern¬ 
den Blätter und begrüßen die aufgehende Sonne, wie der Früh¬ 
gesang der Vögel und die sich öffnenden Blüten der Wasserpflanzen. 
Pferde und Rinder weiden nun im frohen Genüße des Lebens. 
Das hoch aufschießende Gras birgt den schöngefleckten Jaguar. Im 
sichern Versteck auflauernd und die Weite des eigenen Sprunges 
vorsichtig meßend, erhascht er die vorüberziehenden Thiere, katzen¬ 
artig wie der asiatische Tiger. 
Bisweilen sieht man, so erzählen die Eingeborenen, an den 
Ufern der Sümpfe den befeuchteten Letten sich langsam und schollen¬ 
weise erheben. Mit heftigem Getöse, wie beim Ausbruche kleiner 
Schlammvulkane, wird die aufgewühlte Erde hoch in die Luft ge¬ 
schleudert. Wer des Anblicks kundig ist, flieht die Erscheinung; 
denn eine riesenhafte Wasserschlange oder ein gepanzertes Krokodil 
steigen aus der Gruft hervor, durch den ersten Regenguß aus 
dem Scheintode erweckt. 
Schwellen nun allmählig die Flüße, welche die Ebene südlich 
begrenzen: der Arauca, der Apure und der Pagara, so zwingt die 
Natur dieselben Thiere, welche in der ersten Jahreshälfte auf dem 
wasserleeren, staubigen Boden vor Durst verschmachteten, als Am¬ 
phibien zu leben. Ein Teil der Steppe erscheint nun wie ein un¬ 
ermeßliches Binnenwasser. Die Mutterpferde ziehen sich mit den 
Füllen auf die höheren Bänke zurück, welche inselförmig über dem 
Seespiegel hervorragen. Mit jedem Tage verengt sich der trockene 
Raum. Aus Mangel an Weide schwimmen die zusammengedrängten 
Thiere stundenlang umher und nähren sich kärglich von der blühen¬ 
den Grasrispe, die sich über dem braungefärbten gährenden Wasser 
erhebt. Viele Füllen ertrinken, viele werden von den Krokodilen 
erhascht, mit dem zackigen Schwänze zerschmettert und verschlungen. 
Nicht selten bemerkt man Pferde und Rinder, welche, dem Rachen 
dieser blutgierigen riesenhaften Eidechsen entschlüpft, die Spur des 
spitzigen Zahnes am Schenkel tragen.
	        
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