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durch gericthen die Aegypter in große Bestürzung, und aus Furcht, die ihnen
heiligen Thiere zu treffen, wagten sie nicht einmal ihre Pfeile abzuschießen.
Trotz der erlittenen Niederlage wollten die Aegypter nichts von Un¬
terwerfung wissen. Und als ein persischer Herold auf einem Schiffe den
Nil daher kam und Memphis zur Uebcrgabe aufforderte, vernichteten sie
das Schiff sammt der Mannschaft. Darüber ergrimmte Kambyses, zog mit
Heeresmacht heran und nahm die Festung durch Sturm ein.
2. Nach der Eroberung Aegyptens faßte Kambyses den Entschluß,
auch noch das ferne Aethiopien, von dessen Reichthum man Wunder¬
dinge erzählte, mit seinen Ländern zu vereinigen. Vorerst sandte er Kund¬
schafter ab, welche unter dem Vorwände, die Aethiopier zu einem Freund¬
schaftsbündnisse mit den Persern einzuladen, sichere Nachrichten über Land
und Leute einholen sollten. Aber der fremde König merkte die wahre Ab¬
sicht der Boten und sagte: „Geht! euer König ist kein gerechter Mann,
sonst würde ihn nach keinem andern Lande gelüsten; auch würde er nicht
ein Volk in Knechtschaft bringen wollen, welches ihn auf keine Weise be¬
leidigt hat. Bringt ihm diesen Bogen und den Rath dazu, nicht eher sich
den Aethiopiern zu nähern, als bis seine Leute Bogen von dieser Härte so
leicht wie wir spannen können. Bis dahin aber wisse er den Göttern
Dank, daß sie den Aethiopiern nicht in den Sinn gegeben, wider die Per¬
ser zu ziehen."
Sobald Kambyses diese Rede erfuhr, gab er Befehl zum Aufbruche,
wiewohl kein Perser den Bogen zu spannen vermochte. In Theben son¬
derte er 50,000 Mann von .seinem Heere ab und schickte sie westlich, gegen
die Ammonier, um auch diese zu Sklaven zu machen. Mit dem übri¬
gen Theil seiner Mannschaft setzte er den Zug durch den heißen Wüstcn-
gürtel fort. Aber er hatte kaum den fünften Theil des Weges zurückge¬
legt, als schon der mitgenommene Vorrath verzehrt war und bereits die
Lastthiere geschlachtet werden mußten. Dennoch zog Kambyses weiter. So
lange die Erde etwas darbot, lebten seine Leute von Gras und Kräutern;
mitten in der Sandwüste aber griffen sie zu einem grausamen Mittel; sie
schieden zehntweise den durch das Loos ans, der von den neun Andern ver¬
zehrt werden sollte. Weil Kambyses fürchten mußte, daß Alle einander
auffräßen, trat er endlich mit den Trümmern seines Heeres den Rückzug
an. — Noch schlimmer erging es denen, welche gegen die Ammonier ge¬
zogen waren; bei einem heftigen Wirbelwinde wurden sie Alle durch Flug¬
sand in der Wüste verschüttet.
3. Als Kambyses nach Memphis zurückkam, fand er das Volk in
Freude. Ein Wunder war geschehen, der Apis (ein schwarzer heiliger
Stier mit viereckigem weißen Fleck auf der Stirn) war den Aegyptern nach
langem Harren geboren worden. Die Priester waren geschäftig, zu opfern
und zu beten, und das Volk folgte frohlockend dem festlichen Umzug des
Thiergottes durch die Stadt. Darüber ergrimmte Kambyses in seinem
Herzen, denn er glaubte, daß man sich über seinen verunglückten Feldzug
freue und das Kalb nur zum Vorwand nehme. Daher ließ er den Apis
vor sich bringen, stieß ihn mit höhnischem Lachen den Dolch in den Leib
und befahl, die Priester zu geißeln und unter die Einwohner mit bloßem
Schwerte einzuhauen.