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slittiti1), der noch wilder und kriegerischer als Romulus war. Unter ihm
brach die Eifersucht zwischen Albalonga und ihrer Tochterstadt Rom in
offenen Krieg aus. Schon wollten die beiden wohlgerüstetcn Heere in der
Nähe Roms eine blutige Schlacht schlagen, da lud Mettus Fuffetius,
der albanische Feldherr, den König Tullus zu einer Unterredung ein. „Ist
es nicht thöricht" — sprach er zu dem Römer — »wenn zwei verwandte
Völker aus bloßer Eifersucht sich so schwächen, daß sie darnach beide eine
leichte Beute ihrer Feinde werden? Warum wollen wir so viel Blut ver¬
gießen? Lieber mag ein Wettkampf Einzelner aus deinem und meinem
Heere entscheiden, welches Volk dem andern in Zukunft gebieten soll!" —
Tullus willigte in den Vorschlag ein. Nun dienten im römischen Heere
Drillingsbrüder, die »Horatier"-genannt, und ebenso im albanischen, die
„Kuriatier" genannt. Diese wurden von beiden Seiten zu dem Wett¬
streite auserlesen. Nachdem der Vertrag beschworen und durch Opfer be¬
kräftigt worden war, traten die erwählten Vorkämpfer unter lauten Ermun¬
terungen ihrer Mitbürger auf den Kampfplatz, hin zwischen die beiden Heere,
vor deren Augen die Sache entschieden werden sollte. Das Zeichen zum
Angriff wird gegeben! Wüthend stürmen die Jünglinge mit gezückten Schwer¬
tern auf einander los; mit der größten Spannung folgen die Zuschauer
dem Verlaufe des Kampfes. Plötzlich stürzt ein Römer, und über ihn noch
ein Römer sterbend hin. Ein Jubelgeschrei tönt bei ihrem Falle aus dem
albanischen Lager zu den Römern herüber. Aber verwundet sind alle drei Al¬
baner und unversehrt ist der noch übrige Römer. Um die dreifache Gewalt
zu theilen, heuchelt dieser Flucht. Die Kuriatier eilen, wie ihre Wunden
es erlauben, in Zwischenräumen ihm nach. Doch bald kehrt der Listige
sich um: den Kuriatier, der ihm zunächst ist, erlegt er mit mächtigen Strei¬
chen, dann durchbohrt er den zweiten und zusetzt auch den dritten. — So
hatten die Römer gesiegt und ihre Mutterstadt sich Unterthan gemacht.
2. Die Römer kehrten triumphirend in ihre Stadt zurück; Hora-
tius ging, mit den Rüstungen seiner Gegner geschmückt, als Sieger voran.
Am Thore begegnete ihm seine Schwester, die mit einem der gefallenen
Kuriatier verlobt war. Als sie unter den Siegeszeichen ihres Bruders
auch das Kriegsgewand erblickte, das sie selbst ihrem Bräutigam gewebt
hatte, schalt sie ihren Bruder einen Verwandtenmörder und rief unter
Schluchzen mehrmals den Namen ihres Geliebten. Dies empörte den
Jüngling so, daß er die Schwester niederstieß. „Fahre hin zu deinem
Buhlen" — ries er — „mit deiner unzeitigen Liebe, du Unwürdige, weil
du deiner Brüder, der todten und des lebenden, vergaßest, deines Vater¬
landes vergaßest! Und so fahre künftig jede Römerin hin, die einen Feind
betrauert!" Diese That unterbrach die allgemeine Freude, und so verdient
sich auch Horatius um sein Vaterland gemacht hatte, er wurde doch vor
Gericht gestellt und zum Tode verurtheilt. Nur auf Bitten seines greisen
Vaters, der mit zitternder Stimme angab, daß er an diesem Tage schon
drei Kinder verloren habe und nun auch noch das vierte, den letzten
Sohn, einbüßen sollte, wurde die Strafe von dem Volke gemildert. Der
‘) Mit TulluS Hostilius gleichzeitig: Erbauung des Labyrinths in Ae¬
gypten ; Beginn der Hegemonie Sparta's nach dem 2. meffenischen Kriege (sie währte
von 668—470) ; Psammetich in Aegypten 650.
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