Full text: Die politische Geographie (Lehrstufe 2)

Kindes- und Bruderliebe. 
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weder ein verwandter noch ein Ehegatte des Erblassers vorhanden, so ist 
der Fiskus des Bundesstaates, dem der Erblasser zur Zeit des Todes an¬ 
gehört hat, gesetzlicher Erbe. Der Erbe haftet für die Nachlaßverbindlich¬ 
keiten,- zu diesen gehören die Begleichung der vom Erblasser herrührenden 
Schulden, Auszahlung von Vermächtnissen u. dgl. Buch trägt er die 
Kosten für die standesgemäße Beerdigung und den Unterhalt des Haus¬ 
standes des Erblassers für die ersten 30 Tage nach dem Todesfall. Der 
Erbe kann eine Erbschaft annehmen oder ausschlagen. Der Erblasser 
kann durch letztwillige Verfügung oder Testament den Erben bestimmen, 
einen verwandten oder den Ehegatten von der gesetzlichen Erbfolge aus¬ 
schließen und einem andern ein Vermächtnis zuwenden. Wer wegen 
Geistesschwäche, Verschwendung oder Trunksucht entmündigt ist, darf kein 
Testament errichten. Ein gemeinschaftliches Testament kann nur von 
Ehegatten errichtet werden. Ein Testament sowie einzelne Bestimmungen 
desselben können vom Erblasser jederzeit widerrufen werden. Eine 
letztwillige Verfügung kann angefochten werden, wenn durch sie ein 
Erbberechtigter übergangen ist. Ist ein Abkömmling des Erblassers oder 
der überlebende Ehegatte durch das Testament von der Erfolge ausge¬ 
schlossen, so kann er von dem Erben den Pflichtteil, nämlich die Hälfte 
des gesetzlichen Erbteils, verlangen. Der Erblasser kann einem Abkömm¬ 
linge den Pflichtteil entziehen, wenn derselbe ihm oder dem Ehegatten 
oder einem andern Abkömmlinge nach dem Leben trachtet, sich einer vor¬ 
sätzlichen Mißhandlung, Vergehens u. dgl. gegen ihn schuldig macht oder 
wi der dessen willen einen ehrlosen Lebenswandel führt. Nach E. Schroter. 
*215. Kindes» und Bruderliebe. 
Die Trommel erdröhnte, und der schrille Ton der Pfeife mischte sich 
in den rasselnden Wirbel. Eilig versammelte sich die Kompagnie. vor der 
Kaserne hielt der Hauptmann hoch zu Roß. Jetzt trat lautlose Stille ein, 
und mit markiger Stimme verkündete der gestrenge Hauptmann: „Soldaten! 
Ein ehrloser Ausreißer muß eingebracht werden. Dreißig Taler gehören 
dem, der den elenden Wicht einfängt!" Dann kommandierte er zwanzig 
Soldaten zur Verfolgung des flüchtigen. 
Allein die Verfolger nahmen die Sache nicht allzu ernst. Streng und 
hart war die Behandlung der Soldaten auch noch zur Zeit Friedrichs des 
Großen, und so war es keine Seltenheit, wenn ein Soldat seiner Fahne 
untreu wurde; aber fast ebenso selten gelang es, einem fahnenflüchtigen 
auf die Spur zu kommen. 
„Ei, so lauf!" dachte auch jetzt mancher Verfolger bei sich, „die 
dreißig Taler mächte ich mir wohl gerne verdienen,- aber ebenso gerne 
spare ich dem armen Teufel das Gassenlaufen." So kehrten denn alle 
Kameraden mit demselben Bescheid zurück: „Herr Hauptmann, der Deserteur 
ist entwischt!" Endlich eilt keuchend noch einer herbei. Wahrhaftig, er 
schleppt den Ausreißer hinter sich her, und — sollte man 's glauben! — 
es ist sein leiblicher Bruder! Staunen und Unwillen malt sich auf den 
Gesichtern der Kameraden, und als sich der verräterische Bruder seinen 
Judaslohn auszahlen läßt, treffen ihn verächtliche und wütende Blicke. 
„Schwer Geld!" sagt der Hauptmann, als er die dreißig Taler ausgezählt 
hat. „Ja, schwer Geld!" wiederholt mit gepreßter Stimme der Empfänger.
	        
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