Full text: Geschichte des Alterthums (Theil 1)

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Vortheile 
Griechenlands 
durch seine 
Naturbeschaf¬ 
fenheit und 
Weltstcllung. 
Cephallenia und Zakynthus. Dicht an der östlichen Küste von Hel¬ 
las lagert sich das langgestreckte, von hohen Bergen durchzogene, 
fruchtbare Euböa. Die Berge auf dieser Insel gehören zu dem 
Systeme der Pinduskette und laufen parallel mit einer vom Oeta 
durch Phocis, Böotien und Attika sich hinziehenden Bergkette. Beide 
Arme setzen sich in zwei Jnselreihen von unverändertem geognosti- 
schen Charakter fort bis zur Insel Astypaläa. Die Alten nannten 
diese ziemlich im Kreise liegenden Inseln Lykladen, die an der asia¬ 
tischen Küste gelegenen hingegen Sporaden. Die größte aller grie¬ 
chischen Inseln, das von einer vulkanisch zertrümmerten Bergkette 
durchzogene Kreta, schließt südlich das ägäische Meer ab. 
Groß waren die Vortheile, welche den Griechen die eigenthüm¬ 
liche Beschaffenheit ihres Landes gewährte. Die Inseln, Küsten 
und Gebirge dienten ihnen als natürliche Schutzwehren gegen fremde 
Eroberer. Wenn die Gebirge die einzelnen Staaten oder Städte 
und ihre Gebiete gegen einander abgrenzten, so beförderte dagegen 
das Meer, welches Hellas fast überall umgiebt, einen lebhaften Ver¬ 
kehr. Dadurch wurde eine außerordentliche Trennung in viele kleine 
politische Gemeinden und deren selbständige Entwickelung bei einem 
gewissen Zusammenhange aller zu einem großen Ganzen möglich ge¬ 
macht. Das Gebirgsleben schließt die Menschen ab und macht sie 
beharrlich; das Leben auf der See und die Schifffahrt dagegen 
treibt, sobald einmal die ersten Versuche darin gemacht worden sind, 
zu immer neuen Entdeckungen, zu einer stets regen, an unruhige 
Neuerungssucht grenzenden Thätigkeit. Neben einander gestellt und 
auf einander wirkend, wie in Griechenland, vermögen das Gebirgs- 
und das Meereselement ihre Einseitigkeit auszugleichen. Berg und 
Meer haben aber das mit einander gemein, daß sie die Kräfte des 
Menschen stählen, spannen und wach erhalten und vor Trägheit und 
Weichlichkeit schützen. Der Boden Griechenlands brachte viele Pro¬ 
dukte in vorzüglicher Güte und Schönheit hervor, aber ohne Arbeit 
und Anstrengung giebt und gab er nichts, und bewahrte dadurch 
die Griechen vor der Erschlaffung, welche eine zu üppige Frucht¬ 
barkeit mit sich bringt. Wurde auch Griechenland von vielen Län¬ 
dern an Fruchtbarkeit übertroffen, so giebt es doch nicht leicht ein 
Land von so beschränktem Umfange, wo die Natur den verschiede¬ 
nen Zweigen des Gewerbfleißes so vorgearbeitet hätte. Messene 
war zum Getreidebau geeignet, Arkadien zur Viehzucht, Attika 
rühmte sich seines Oelbaues, Thessalien seiner Rosse, Laurium und 
Thasos seines Bergbaues. Gewerbe und Handel wurden in den 
Seestädten getrieben, und Küsten und Inseln luden zur Schifffahrt 
ein. Die Vielseitigkeit des geschäftigen Lebens erzeugte Vielseitig¬ 
keit der Ideen und Kenntnisse. Der dem Einzelnen zur Sicherung 
seiner Existenz nothwendige Spielraum und das rege und freiere 
Leben, welches Handel und Schifffahrt verlangen und hervorrufen, 
bewahrten Griechenland vor der Erstarrung und dem Despotismus 
orientalischer Staaten. Vorzüglich wichtig aber für die Entwicke¬ 
lung Griechenlands war seine höchst günstige Lage gleichsam in dem 
Mittelpunkte aller gebildeten Völker der alten Welt und die Mög¬ 
lichkeit eines leichten Verkehres mit diesen.
	        
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