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II. Don der dorischen Wanderung bis zu den Perserkriegen,
a) Wanderungen und Kolonien der Griechen.
Nach dem trojanischen Kriege und zum Theil in Folge dessel¬
ben fanden in Griechenland innere Umwälzungen und Auswande¬
rungen in fremde Länder statt. Die von Troja heimkehrenden Hel¬
den fanden Vieles verändert, zum Theil Andere im Besitze ihrer
Herrschaft und ihrer Frauen, und daraus entstanden innere Unru¬
hen und Kämpfe, welche mit der Vertreibung der Einen oder der
Andern endigten. Eroberungslustige Nachbarn scheinen die Verwir¬
rungen mancher Städte benutzt zu haben. Das mächtige Herrscher¬
haus der Pelopiden sank von seiner Höhe herab. Zwar halte Ore¬
stes, der Sohn des Agamemnon, ein neues Reich gegründet, welches
größer war, als das seines Vaters: aber es erlangte keine Festig¬
keit und keinen Bestand.
Ohngefähr sechszig Jahre nach der Zerstörung von Troja (1124
v. Chr.) brach die Völkerschaft der Thestalier, welche bisher in Epi-
rus gewohnt hatte, in das von nun an nach ihnen Thessalien ge¬
nannte Land ein. Die einheimischen Völkerschaften wurden theils
verdrängt, theils unterjocht und zu Leibeigenen gemacht, welche den
Namen Penesten erhielten. Von den verdrängten Völkerschaften
zogen die äolischen Böotier aus ihren Stammsitzen im südlichen
Theile von Phthiotis nach dem Lande, welches nun von ihnen den
Namen Böotien erhielt, und unterwarfen sich die Minyer und The-
baner. Eine andere Völkerschaft, die Dorier, wanderte in das ans
der Südseite des Oeta gelegene Land Doris, in welchem sich schon
früher stammverwandte Schaaren angesiedelt hatten. Auch in Aeto-
lien und Akarnanien traten ähnliche Veränderungen ein, von wel¬
chen wir aber keine näheren Nachrichten haben. Das nördliche
Griechenland und der westliche Theil des mittleren wurden in Folge
dieser Umwälzungen in ihrer Entwickelung gehemmt und blieben
hinter den übrigen Griechen zurück.
Die von Epirus und Thessalien ausgegangene Völkerbewegung
blieb nicht in Mittelgriechenland stehen, sondern auch die übrigen
Theile von Griechenland bis zum äußersten Süden des Peloponnes
erlitten eine Umänderung. Denn ohngefähr 1104 v. Chr. wander¬
ten die Dorier in Verbindung mit vielen Aetoliern in den Pelo¬
ponnes und eroberten den größten Theil desselben. Diese Wande¬
rung heißt auch die Rückkehr der Herakliden, weil die Fürsten der
in die Halbinsel eindringenden Dorier sich Nachkommen des Hera¬
kles nannten. Mit dem dorischen Stamme wurde Hyllus, des He¬
rakles Sohn, durch die mythische Erzählung in Verbindung ge¬
bracht, daß ihn Aegimius, der König der Dorier, aus Dankbarkeit
gegen Herakles, welcher ihm gegen die Lapithen Beistand geleistet
hatte, als Sohn angenommen habe. Hyllus und zwei wirkliche
Söhne des Aegimius, Dyman und Pamphilus, wurden die Stamm¬
väter der drei Phylen genannt, in welche die Dorier getheilt wa¬
ren, der Hylleer, Dymanen und Pamphylier. Zu der ersteren ge¬
hörten die Königsgeschlechter.
.Wanderungen
in Nord- und
Mittel-Grie¬
chenland.
Die Einwan¬
derung der
Dorier in den
Peloponnes.