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eigene Fehde im Namen und auf Kasten der indischen Herrscher fort¬
zusetzen, Die Engländer gingen 1765 als Sieger aus diesem
Kampfe und wurden Beherrscher Bengalens und einiger angrenzen¬
den Länder. Seitdem haben sie ihre Macht über ganz Indien
ausgedehnt, ja sogar die natürlichen Grenzen des vorderen Indiens
überschritten. Indien steht also in dieser zweiten Periode unter
fremder Herrschaft; diese ist aber in dem ersten Abschnitt eine mu-
hamedanische und asiatische, verbunden mit despotischer Willkür und
Verachtung des einheimischen Gesetzes, mit stetem Wechsel der Herr¬
scher, unaufhörlichen Kriegen, rücksichtsloser Erpressung und fanati¬
scher Glaubensverfolgung; in dem zweiten Abschnitt ist die Herr¬
schaft eine christliche und europäische, und zwar eines Volkes, wel¬
ches eine große Fähigkeit kraftvoller Verjüngung und fortschreitender
Entwickelung in seiner Geschichte bewährt hat. Unter englischer
Herrschaft sind Ruhe und Sicherheit des Eigenthums, Duldung des
altväterlichen Glaubens, eine geregelte Verwaltung und Befolgung
des überlieferten Gesetzes an die Stelle despotischer Willkür getre¬
ten. Unter muhamedanischer Herrschaft beschränkte sich die politische
Berührung Indiens mit dem Auslande auf die nächste Nachbarschaft
und bestand meist nur in wiederholten, verwüstenden Raubzügen
der westlichen Grenzvölker; jetzt verschlingen sich Indiens Schicksale
stets enger mit den Interessen der Politik, des Handels und der
Industrie, welche die ferne europäische Welt beherrschen. Wenn
die englische Herrschaft einen langen Bestand haben wird, so stehen
den invischen Zuständen noch große Aenderungen bevor und es
dürfte dem alten Brahmanenthum schwieriger sein, den Einwirkun¬
gen des christlichen Unterrichts und der europäischen Aufklärung zu
widerstehen als der brutalen Bekehrungssucht des Islam.
Der gemeinschaftliche Ursitz der indogermanischen Völker scheint
das Land zwischen dem kaspischen Meere und dem kalten Hochlande
auf dem Westgehänge des Belurtag und Mustag gewesen zu sein.
Auch für den zweiten großen Zweig der kaukasischen Völkerfamilie,
den semitischen, bezeichnet die Sage der Hebräer als den ursprüng¬
lichen Wohnsitz das iranische Hochland im weitesten Sinne. Als
das Eden der Hebräer ist wohl das Land zu denken, welches im W.
vom Tigris und Euphrat, im O. vom Orus und Indus umstossen
wird. Von den Völkern des indogermanischen Stammes sind die
Jranier mit den Indern am meisten verwandt. Beide Völker füh¬
ren den gemeinschaftlichen Namen Arier, bewohnen die einander
am nächsten gelegenen Länder und gingen im Alterthum ohne eine
bestimmte Grenzscheide unvermerkt in einander über. Endlich tre¬
ten auch bei den Indern und Jraniern besondere Uebereinstimmun¬
gen m der Religion, den Sagen und der Sprache hervor, wie sie
unter zwei anderen Völkern der indogermanischen Familie sonst nicht
zu entdecken sind. Es erscheint deshalb höchst wahrscheinlich, daß
die Inder mit den iranischen Völkern gemeinschaftliche Ursitze gehabt
und mit diesen am längsten zusammengewohnt haben. Die Jranier
bezeichnen nun als ihre ältesten Wohnsitze den äußersten Osten des
ganzen iranischen Hochlandes, die Quellgebiete des Orus und Ja-
rartes oder das kalte Hochland auf dem Westgehänge des Belurtag
Geschichte
Indiens vor
Buddha.